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Nach Tillich-Rückzug: Wie die SPD einen Rechtsruck in Sachsen verhindern will

Teile der sächsischen CDU drohen nach rechts außen zu rücken – die Landesregierung wollen sie am liebsten gleich mitnehmen. Die SPD will das verhindern und fordert von ihrem Koalitionspartner eine klare Abgrenzung zu AfD und Co.
von Paul Starzmann · 23. Oktober 2017
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Seit dem Debakel bei der Bundestagswahl ist die sächsische CDU in Aufruhr. Sie wurde landesweit von der AfD überholt, verlor Direktmandate an die Rechtspopulisten. Als Konsequenz hat CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich nun seinen Rücktritt angekündigt. Die große Koalition aus CDU und SPD befindet sich seitdem in einer „Vertrauenskrise“, so Martin Dulig, Chef der sächsischen Sozialdemokraten, am Wochenende beim Landesparteitag.

Martin Dulig: SPD macht bei Rechtsruck nicht mit

Der Grund für den Koalitionskrach: Seit der Bundestagswahl mehren sich in der sächsischen CDU die Stimmen, die einem Rechtsruck das Wort reden. Zum Beispiel Noch-Chef Tillich, der wie Horst Seehofer die „rechte Flanke“ der Union schließen will. Nicht nur ihre Partei, sondern die Politik der Landesregierung insgesamt müsse nach rechts rücken, fordern manche. Nur so ließe sich der AfD das Wasser abgraben.

Allerdings hat hier die mitregierende SPD ein Wort mitzureden. Und wenn es nach den sächsischen Sozialdemokraten geht, dann wird nichts aus dem Rechtsruck. „Wir stehen für ein anständiges Sachsen“, sagt Martin Dulig. „Einen Rechtsschwank der sächsischen Staatsregierung wird es mit uns nicht geben.“

Michael Kretschmer: das „politische Chamäleon“

Damit geht die sächsische SPD auf Konfrontationskurs zu ihrem Koalitionspartner. Auch in Sachen Tillich-Nachfolge stellen sich die Sozialdemokraten quer. Die CDU will den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Michael Kretschmer als neuen Ministerpräsidenten. Doch für dessen Wahl gebe es „keinen Automatismus“, betont Daniele Kolbe, Generalsekretärin der sächsischen SPD, im Gespräch mit vorwärts.de.

Ein „politisches Chamäleon“ sei Kretschmer, sagt sie. „Wer ihn aus Berlin kennt, der kennt einen liberalen Politiker, der kompromissbereit erscheint“, berichtet die SPD-Bundestagsabgeordnete. „Wer ihn aber in Dresden erlebt, sieht einen harten Rechtsausleger – einen, der erzkonservativ ist.“ Dass die SPD Kretschmer zum Regierungschef wähle, sei keineswegs ausgemacht. Denn: „Ein Chamäleon als Ministerpräsidenten brauchen wir nicht“, so Kolbe.

Daniela Kolbe: CDU ist ein „Hühnerhaufen“

Das Bild des wandelfähigen Michael Kretschmer präsentiert sich auch bei Twitter. Er lobt dort etwa das gute Verhältnis zwischen Deutschland und Polen oder verurteilt die Rhetorik des AfD-Politikers Björn Höcke. Zugleich spricht er sich klar gegen „Multikulti“ aus und prahlt mit der hohen Zahl an Abschiebungen in seinem Bundesland.

Was für Kretschmer gilt, sieht Daniela Kolbe als ein Phänomen, das die sächsische CDU insgesamt betrifft. Ein „Hühnerhaufen“ seien die Konservativen: Die einen wollten die Partei nach rechts außen drängen, andere Mitglieder wollten das genaue Gegenteil. Beim Dresdner CDU-Lokalpolitiker Christian Hartmann finden sich beide Positionen quasi in einer Person: Er spricht sich zwar gegen einen Rechtsruck seiner Partei aus, schließt aber eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Für die SPD-Politikerin Kolbe sind das alles Zeichen dafür, „in welchem mentalen Durcheinander sich die CDU in Sachsen im Moment befindet“.

SPD: CDU muss sich nach rechts abgrenzen

Von ihrem Koalitionspartner fordern die sächsischen Sozialdemokraten deshalb eine klare Haltung, eine Abgrenzung nach rechts außen. „Die CDU muss nun zeigen, ob sie verstanden hat, dass rechts blinken nichts bringt“, fordert Daniela Kolbe.

Die Unzufriedenheit, die viele Menschen in die Arme der AfD treibe, müsse anders angegangen werden. Die sächsischen Sozialdemokraten sprechen in diesem Zusammenhang vom „handlungsfähigen Staat“, der zum Beispiel für bessere Bildung und bessere Löhne sorgen müsse. Dafür mache sich die SPD seit Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2014 stark, sagt Kolbe – als „Gegengewicht in der Regierung zur CDU“. Sozusagen mit linken Themen gegen die rechtslastige CDU in Sachsen.

Kretschmer hat schon einmal verloren – gegen die AfD

Die „Sachsen-Union“ ist seit jeher für ihre erzkonservative Einstellung bekannt. Beobachter sehen deshalb auch eine Mitverantwortung der CDU für die rechten Umtriebe in der Region. Eine klare Abgrenzung nach rechts vermeiden die örtlichen Konservativen jedoch bisher.

Dass das keine Wählerstimmen sichert, hat vor kurzem der designierte Ministerpräsident Michael Kretschmer zu spüren bekommen: Er hat im September sein Bundestagsmandat verloren – an einen bis dahin völlig unbekannten Politiker der AfD, einen Konkurrenten vom rechten Rand.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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