Nach „König Kurt“ regiert jetzt die „Königin der Herzen“
Malu Dreyer ist neue Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Die 51-jährige Sozialdemokratin erhielt im Landtag in geheimer Wahl 60 Stimmen. Genau so viele Mandate hat die rot-grüne Koalition. 40 Abgeordnete stimmten mit Nein. Sie freue sich auf „die tolle Herausforderung und die schöne Arbeit“, sagte Dreyer.
Sie tritt die Nachfolge von Kurt Beck (63) an, der nach 18 Jahren als dienstältester Ministerpräsident Deutschlands aus gesundheitlichen Gründen aus dem Amt scheidet. Malu Dreyer wird bereits heute Nachmittag ihre erste Kabinettssitzung leiten. Zuvor wird sie den bisherigen SPD-Generalsekretär Alexander Schweitzer zu ihrem Nachfolger als Sozialminister ernennen.
Unmittelbar nach der Wahl gratulierte SPD-Chef Sigmar Gabriel in einem Glückwunschschreiben Malu Dreyer: „Für Deine neue Aufgabe wünsche ich Dir so viel Kraft und Überzeugungsstärke, wie Du sie in Deiner bisherigen politischen Arbeit gezeigt hast. Du verkörperst auf höchst glaubwürdige Weise unsere politischen Kernziele: soziale Gerechtigkeit und faire Lebenschancen für alle.“
Malu Dreyer ist die erste Ministerpräsidentin in der über 65-jährigen Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz. Deutschland hat mir Dreyer nun vier Ministerpräsidentinnen, neben Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen, Christine Lieberknecht in Thüringen und Annegret Kramp-Karrenbauer in Thüringen. Ein weiteres Novum in der Landesgeschichte: Mit Julia Klöckner (CDU) stehen sich in Rheinland-Pfalz erstmals zwei Frauen gegenüber als Regierungschefin und Oppositionsführerin.
1961 wurde Malu Dreyer in Neustadt an der Weinstrasse geboren, als zweites von drei Kindern eines Schuldirektors und einer Erziehung. „Eine berufstätige Mutter, in den siebziger Jahren alles andere als eine Selbstverständlichkeit, und das aktive politische Handeln meines Vaters haben mir den Mut und die Lust zu engagiertem Handeln vor allem für Schwächere und sozial Benachteiligte in unserer Gesellschaft mit auf den Weg gegeben“, schreibt Malu Dreyer auf ihrer Homepage.
Nach dem Abitur studiert sie zunächst Anglistik und Katholische Theologie in Mainz, wechselte nach einem Jahr zur Rechtswissenschaft. Nach dem Abschluss ihrer Juristischen Staatsprüfung mit einem Prädikatsexamen arbeitet sie zunächst als Staatsanwältin in Bad Kreuznach. Hier wird sie 1995 zur zunächst parteilosen Bürgermeisterin gewählt. Sie tritt der SPD bei. 1997 wird sie Dezernentin für Soziales, Jugend und Wohnen in Mainz.
2002 ernennt Ministerpräsident Kurt Beck sie zur rheinland-pfälzischen Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Ausgestattet mit einem wie sie selbst sagt „Urinstinkt für soziale Gerechtigkeit“ erwirbt sich die Ministerin Respekt bei Freunden und Gegnern. „Soziale Gerechtigkeit war schon immer mein Thema“, sagt Malu Dreyer. „Ich bin zwar Juristin, aber auch das hat ja etwas mit Gerechtigkeit zu tun.“ Dieses Ministeramt bekleidet sie bis zur heutigen Wahl zur Ministerpräsidentin.
In Rheinland-Pfalz genießt Malu Dreyer einen exzellenten Ruf. Von ihr heißt es immer wieder, sie sei im Land „so beliebt wie Freibier und Hitzefrei“. Wegen einer Multiple- Sklerose-Erkrankung ist zeitweise auf einen Rollstuhl angewiesen. 2006 macht Malu Dreyer ihre Krankheit öffentlich und betritt damit als Spitzenpolitikerin absolutes Neuland. Einen Bonus möchte sie dafür nicht. Den braucht sie auch nicht, denn sie überzeugt mit ihrem fröhlichen, offenen Auftreten und einer Ernsthaftigkeit, die nicht aufgesetzt wirkt. Das hat ihr in Rheinland-Pfalz das Prädikat „Königin der Herzen“ eingetragen, aber Königin mag sie nicht sein. Auch als Nachfolgerin von „König Kurt“ bleibt sie Bürgerin Dreyer.
Heute Abend wird es für Kurt Beck eine Abschiedsfeier geben, zu der sich zahlreiche Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport angesagt haben. Die Festrede wird Martin Schulz (SPD), der Präsident des Europäischen Parlaments, halten.
Malu Dreyer im Porträt: