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Nach intensiver Debatte: Bundestag lehnt Impfpflicht ab

Es wird keine Impfpflicht gegen das Corona-Virus geben. Ein entsprechender Antrag fand am Donnerstag keine Mehrheit im Bundestag. Bis zum Schluss war um einen Kompromiss gerungen worden.
von Kai Doering · 7. April 2022
Zweieinhalb Stunden debattierte der Bundestag über die Impfpflicht. Am Ende lehnte sie eine Mehrheit ab.
Zweieinhalb Stunden debattierte der Bundestag über die Impfpflicht. Am Ende lehnte sie eine Mehrheit ab.

Der Bundestag hat sich gegen eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus ausgesprochen. In namentlicher Abstimmung sprachen sich nur 296 von 683 Abgeordneten für die Einführung eine Impfpflicht ab 60 Jahren aus. 378 stimmten dagegen. Der Gesetzentwurf war erst Anfang der Woche als Kompromiss zweier Gruppen entstanden, die sich ursprünglich für eine Impfpflicht ab 18 bzw. ab 50 Jahren eingesetzt hatten.

Auch die Anträge der CDU/CSU-Fraktion auf Einführung eines „Impfvorsorgegesetzes“ mit dem Aufbau eines Impfregisters sowie einer Gruppe um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki und der AfD-Fraktion, eine Impfpflicht auszuschließen, fanden keine Mehrheit. Damit bleibt die Rechtslage bei der Corona-Impfung unverändert.

„Wir wollen keinen dritten Corona-Winter erleben“

Zuvor hatten die Bundestagsabgeordneten während einer zweieinhalbstündigen Debatte intensiv über Vor- und Nachteile einer Impfpflicht gestritten. „Wir werden im Herbst vor derselben Situation stehen wie in den vergangenen beiden Jahren, wenn wir die Impflücke nicht schließen“, warnte die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt. Eine Impfpflicht ab 60, vor allem aber eine umfassende Impfberatung, helfe, eine notwendige Grundimmunisierung zu erreichen. Schmidt war zunächst Mitglied der „Gruppe Baehrens“, die einen Entwurf für eine Impfpflicht ab 18 vorgelegt, aber keine Mehrheit gefunden hatte.

„Wir wollen keinen dritten Corona-Winter erleben“, betonte auch Andrew Ullmann. Der FDP-Politiker hatte den Entwurf eines Gesetzes für eine Impfpflicht ab 50 initiiert. Erst am Dienstag waren die beiden Anträge in einem gemeinsamen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht ab 60 zusammengeführt worden. „Wir haben einen Kompromiss gesucht“, betonte Ullmann und äußerte gleichzeitig sein Bedauern, dass sich die Fraktion von CDU und CSU diesem nicht anschließen wollte.

Lauterbach: Ohne Impfung hätten wir „lupenreine Katastrophe“

Deren gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge kritisierte den Gesetzentwurf als eine „Impfpflicht ab 18 durch die Hintertür“ und betonte, dass eine Impfung ein „Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“ sei, der deshalb gut abgewogen werden müsse. „Momentan sinken die die Inzidenzen und die Belastung der Krankenhäuser“, betonte Sorge. Eine Impfpflicht sei daher nicht verhältnismäßig. Vor einer solchen Entscheidung müsse „zuerst eine belastbare Datengrundlage“ geschaffen werden. Deshalb plädiere seine Fraktion für die Einführung eines Impfregisters, in dem alle Geimpften verzeichnet sind.

„Wenn sich niemand hätte impfen lassen, dann hätten wir jetzt eine lupenreine Katastrophe und wären im völligen Lockdown“, gab Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu bedenken, der sich allerdings als Abgeordneter an seine Kolleg*innen wandte. Die Bundesregierung hatte sich entschieden, keinen eigenen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht vorzulegen, allerdings hatten Lauterbach und Bundeskanzler Olaf Scholz stets deutlich gemacht, dass sie eine Impfpflicht ab 18 unterstützen. „Wenn wir die Impfpflicht ab 60 beginnen, dann verhindern wir 90 Prozent der Todesfälle, die wir mit einer Impfpflicht ab 18 verhindert hätten. Nutzen wir bitte diese Gelegenheit“, appellierte Lauterbach an die Abgeordneten.

„Wir müssen heute handeln, um morgen frei zu leben.“

Als „wirksam, rechtssicher und vernünftig“ bezeichnete der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Janosch Dahmen, den Gesetzentwurf. Zwischen 50 und 60 steige das Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion „deutlich an“. Eine Impfpflicht ab 60 schütze diese Gruppe daher besonders. Doch diene die Impfung nicht nur dem Schutz des einzelnen. „Wir haben die Verantwortung, jetzt Vorsorge für den Herbst zu treffen“, betonte Dahmen mit Blick auf eine neue Corona-Welle. „Wir müssen heute handeln, um morgen frei zu leben.“

Einen weiteren Aspekt brachte schließlich der SPD-Abgeordnete Stefan Schwartze in die Debatte ein. „Denken Sie an die Menschen, die eine OP verschoben haben. Denken Sie an die Menschen, die unter den Langzeitfolgen der Coronainfektion leiden“, appellierte Schwartze, der auch Patientenbeauftragter der Bundesregierung ist, an die Abgeordneten. Während der Corona-Pandemie hätten deutlich weniger Menschen Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen, weil sie eine Ansteckung fürchteten, berichtete er.

Am Ende überzeugten all diese Argumente jedoch nicht.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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