Nach hitziger Debatte: Olaf Scholz überzeugt im zweiten Kanzler-Triell
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Der Ton für das zweite Triell ist bereits gesetzt, bevor es am Sonntagabend beginnt. Auf dem Parteitag der CSU am Samstag hatte CDU-Kanzlerkandidat einen Satz gesagt, der das Blut bei vielen Sozialdemokrat*innen zum Kochen gebracht hat. Diese hätten, so behauptete Laschet vor den CSU-Delegierten in Nürnberg, „in all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte (…) immer auf der falschen Seite“ gestanden. Zwar hatte Laschet kurz darauf noch ein „in der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ angefügt, doch die Empörung – nicht nur unter SPD-Mitgliedern – war gewaltig.
Scholz zu Laschet: „Sie sind sehr unehrlich.“
Ähnlich haltlos geht Armin Laschet am Sonntag auch Olaf Scholz an. Das Triell bei ARD und ZDF ist erst wenige Minuten alt, da unterstellt er dem SPD-Kanzlerkandidaten: „Wenn es rechnerisch reicht, werden sie eine Koalition mit den Linken machen.“ Dass Scholz zuvor darauf hingewiesen hat, dass für ihn zur Beteiligung an einer Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu NATO und EU notwendig sei und im Übrigen die Bürger*innen darüber entscheiden würden, wie die Bundestagswahl ausgehe, ignoriert Laschet.
Ähnlich hitzig geht es weiter. Laschet wirft Scholz „Schönrednerei“ vor als es um eine Razzia in Bundesfinanz- und Justizministerium geht und unterstellt ihm, er habe „abfällig über eine Behörde geredet“. Schließlich behauptet er sogar, Scholz habe die Fachaufsicht über die in der Kritik stehende Financial Intelligence Unit (FIU), obwohl beim Finanzminister allein die Rechtsaufsicht liegt (was deutlich geringere Befugnisse bedeutet). Da platzt Olaf Scholz der Kragen. „Es hat keine Untersuchung im Finanzministerium gegeben“, stellt er klar und kritisiert, Laschet habe „absichtlich einen falschen Eindruck erweckt. Sie sind sehr unehrlich.“
Baerbock: CDU muss Brandmauer nach rechts schließen
In die Defensive gerät Laschet auch als ihn die beiden Moderator*innen auf seinen Parteifreund Hans-Georg Maaßen ansprechen, der in Thüringen für den Bundestag kandidiert und regelmäßig durch rechte Parolen auffällt. Der Frage, ob er ihn selbst wählen würde, weicht der CDU-Kanzlerkandidat aus. Er wähle ja in Aachen. Auf die Frage, wo er Maaßen innerhalb der CDU verorte, antwortet er lediglich: „Hans-Georg Maaßen ist Mitglied der CDU.“
Deutlich souveräner tritt da Annalena Baerbock auf. Angesprochen auf ein Sorgenkind ihrer Partei, den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, sagt die Grünen-Vorsitzende ganz klar, er gehöre zwar zur Partei, „aber er hat eine Äußerung gemacht, die rassistisch war“. Sie habe ihn danach auch angerufen und ihn aufgefordert, sich zu entschuldigen. „Ich erwarte, dass die CDU die Brandmauer nach rechts schließt“, fordert sie schließlich deutlich Armin Laschet auf. Olaf Scholz nickt dabei.
Unwahrheiten und Unterstellungen von Laschet
Ganz ähnlich ist das Bild während der gesamten 90 Minuten dieses zweiten Fernseh-Triells. Egal, ob es um die Digitalisierung, den Kampf gegen den Klimawandel, bezahlbares Wohnen oder die Zukunft der Rente geht: SPD und Grüne sind stets deutlich näher beieinander als eine der Parteien der CDU. Armin Laschet versucht das auszugleichen, indem er vor allem Olaf Scholz‘ Aussagen wahlweise als „nicht seriös“ (beim Rentenniveau) bezeichnet oder mit Unterstellungen arbeitet (etwa, wenn er behauptet, SPD und Grüne wollten mit Steuererhöhungen für Reiche „die Wirtschaft abwürgen“) oder Unwahrheiten verbreitet (etwa, wenn er behauptet, seine Regierung haben den Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen beschleunigt, obwohl das Gegenteil der Fall ist).
Besonders deutlich werden die Unterschiede schließlich an den einminütigen Abschluss-Statements der drei Kandidat*innen. Während Armin Laschet den Fernseh-Zuschauer*innen verspricht, „dass ich Ihnen nicht vorschreibe, wie Sie zu denken und zu sprechen haben“, sondern „ich lasse sie machen“, kündigt Annalena Baerbock „einen echten Aufbruch“ an. Olaf Scholz schließlich betont, die Solidarität, die die Menschen in Deutschland während der Corona-Krise gezeigt hätten, auch für die künftigen Aufgaben nutzen zu wollen: beim Kampf gegen den Klimawandel ebenso wie für den Erhalt von Arbeitsplätzen und gute Löhne. „Ich setze mich dafür ein, dass in diesem Land wieder mehr Respekt herrscht“, verspricht Scholz.
Am Ende liegt Scholz deutlich vorn
Bei den Fernsehzuschauer*innen kommt das an. In einer Blitzumfrage geben 41 Prozent an, sie hätten den SPD-Kanzlerkandidaten am überzeugendsten gefunden. Armin Laschet landet mit 27 Prozent auf Platz zwei, Annalena Baerbock mit 25 Prozent auf dem dritten Platz. Bei den zuvor noch unentschiedenen Wähler*innen kann Scholz 36 Prozent überzeugen. Baerbock und Laschet erreichen jeweils 25 Prozent.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.