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Nach Groko-Start: SPD-Politiker betonen Eigenständigkeit in der großen Koalition

SPD und Union haben Angela Merkel erneut zur Kanzlerin gewählt. Damit kann Schwarz-Rot die Arbeit aufnehmen. Was hat die SPD in der neuen Groko alles vor?
von Paul Starzmann · 14. März 2018
Bundestag Groko
Bundestag Groko

171 Tage liegt die Bundestagswahl zurück, so lange hat eine Regierungsbildung in Deutschland noch nie gedauert. Zum Schluss ging aber alles ganz schnell: Obwohl der Bundestag mit seinen 709 Mitgliedern der größte in seiner Geschichte ist, dauerte die Stimmenauszählung am Mittwochvormittag nur eine knappe viertel Stunde. Dann gab Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) das Ergebnis bekannt: Mit 364 Stimmen ist Angela Merkel erneut zur Bundeskanzlerin gewählt worden. Mit Nein haben 315 Abgeordnete gestimmt, neun haben sich enthalten.

Oppermann: „Eine #Groko ist es nicht“

Das Ergebnis ist damit knapper ausgefallen, als es von vielen erwartet wurde. Union und SPD verfügen zusammen über 399 Sitze, offensichtlich haben aber 35 Abgeordnete aus den Groko-Parteien der Kanzlerin ihre Gefolgschaft verweigert. Der SPD-Politiker und Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann kommentierte auf Twitter: „Die Regierungsmehrheit steht, eine #Groko ist es nicht.“

Die Reaktionen aus den Reihen der SPD fallen oft in einem ähnlichen Tonfall aus. Einerseits senden viele die Botschaft aus: Gut, dass es jetzt losgehen kann mit der Regierungsarbeit. Andererseits betonen viele der verantwortlichen Politiker die Eigenständigkeit der SPD. Ihr Tenor: In der Groko wollen sich die Sozialdemokraten von der Union nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Klingbeil: „Nicht euphorisch“

Nahles zeigte sich nach Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin erleichtert: „Ich bin froh, dass es jetzt endlich los geht“, sagte sie im TV-Sender Phoenix. „Aber wir sind erst am Ziel, wenn wir es schaffen, das mit Leben zu füllen, was auf dem Papier steht.“ Gemeint ist der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union, der nun in den kommenden Monaten und Jahren abgearbeitet werden soll. „Ich glaube, das kann was Gutes werden“, sagte Nahles. Als drängendste Themen nannte sie Pflege und steigende Mieten.

Was die Zusammenarbeit mit der Union angeht, hatte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Vortag schon eine sanfte Warnung an die Unionsparteien ausgesandt. „Gute Vorschläge werden wir mitmachen“, sagte er im ZDF. „Aber nicht jede Fantasie der Union im Bereich der Innenpolitik wird bei der SPD auf Bereitschaft stoßen.“ Kurz vor der Plenarsitzung am Mittwoch hatte Klingbeil dann noch einmal versprochen, die SPD-Abgeordneten würden die Kanzlerin mitwählen. „Nicht euphorisch, aber wir wollen die Inhalte des Groko-Vertrags umsetzen.“

Giffey: Kinderarmut, Integration, Sicherheit

Für die Umsetzung der sozialdemokratischen Themen im Koalitionsvertrag werden jetzt vor allem die von der SPD besetzen sechs Ministerien zuständig sein. Insgesamt 13 Staatssekretärsposten gehen außerdem an die SPD, an acht Frauen und fünf Männer. Die Mehrheit weiblicher SPD-Regierungsmitglieder sei ein positiver Trend, den es in der Union so nicht gebe, betonte der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach auf Twitter.

Was in der Regierungsarbeit nun konkret auf dem Programm steht, erläuterte die neue Bundesfamilienministerin Franziska Giffey für ihr Ressort. Sie will den Fokus auf Kinderarmut legen und besonders in „schwierigen Kiezen“ Fortschritte erzielen. Gegenüber Phoenix sagte Giffey, sie wolle den Ausbau von Kitas in Angriff nehmen und etwas gegen den Mangel an Erzieherinnen und Erziehern tun. Integration und Bildung sind für die ehemalige Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln ebenfalls wichtige Anliegen. Die Herkunft dürfe generell keine Rolle spielen bei der gesellschaftlichen Teilhabe, sagte sie. Zugleich wolle sie die Themen Integration und Innere Sicherheit verknüpfen. Sie spüre „ein Bedürfnis unserer Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit“, sagte sie. „Es gibt Regeln in unserem Land“, die von allen einzuhalten seien. Mit der Verknüpfung der Themen Integration und Sicherheit geht Giffey damit einen Weg, den die SPD bislang so nicht beschritten hat.

Barley: „Sehr unterschiedliche Parteien“

Ihre neue Kabinettskollegin Katarina Barley kehrt als Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz „zu ihren Wurzeln“ als Juristin zurück, wie sie bei Phoenix sagte. Besonders der Verbraucherschutz werde in dieser Legislaturperiode eine bedeutsame Rolle spielen. Hier sei in den vergangenen Jahren schon viel vorbereitet worden, es gebe „aber auch viel Druck“ für eine schnelle Umsetzung der Groko-Vorhaben.

Zugleich machte Barley deutlich, dass sie zwischen SPD und CDU/CSU in der neuen Koalition auch Reibungen erwartet. „Wir sind unterschiedliche Parteien in dieser Koalition“, sagte sie. „Drei sehr unterschiedliche Parteien.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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