Inland

Nach der Wahl - nur Mut

von Uwe Karsten Heye · 15. Mai 2012

Die SPD war bislang für die CDU so eine Art Wirtstier. Die Botenstoffe, die Frau Merkel magisch anziehen, es sind die Themen der Sozialdemokratie. Sie begann die umfängliche thematische Skelettierung der SPD mit der Ausrufung der Bildungsrepublik und sie hörte mit dem angeblichen Atomausstieg nicht auf. 

Auch der Mindestlohn wird gern genommen. Und bei Europa landet sie regelmäßig da, wo sie eigentlich nicht hinwollte und die Sozis schon stehen.

Es reicht ihr aber, sich mit den Themen zu schmücken. Umsetzen will sie sie nicht. Dennoch, die Attacke auf das geistige Eigentum des Wirtstiers ist Strategie. Es hat vor allem damit zu tun, im Bund für neue Konstellationen, auch für eine großen Koalition offen zu sein, für den Fall, dass die FDP als Koalitionspartner zu klein bleibt; trotz NRW und Schleswig Holstein. Auch Schwarz/Grün ist da mitgedacht. Es geht ausschließlich um eine realistische Machtoption und fast nie um die Sache, wenn man mal von der Herdprämie absieht.

Merkel als Themensammlerin

Das Publikum in NRW und auch schon in Schleswig-Holstein, hat das bemerkt. In Europa bleibt die Kanzlerin bei der Echternacher Springprozession, drei Schritte zurück, zwei vor. Alles in allem eine höchst fatale Politik der Zuspätkommer. Dafür wird aber alles robust vorgetragen: Europa spricht deutsch. (Das hat Freunde gebracht)

Sie ist vor allem Themensammlerin. Sie umzusetzen könnte ja Stimmen kosten. Klima – ein Thema, dass sie mittlerweile scheut, wie der Teufel das Weihwasser. Das war noch bei G7/G8 in den weißen Luxushotels an der Ostsee zusammen mit George W. Bush ganz anders. Ob sie die Abneigung des Amerikaners, das Klima zu retten, so beeindruckt hat? Sie ruft die Bildungsrepublik aus und siehe, es ändert sich nichts.

Und immer dann, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, muss sie vor dem Nein der FDP und der dort herrschenden sozialen Kälte passen. Einführung einer Reichensteuer, oder Finanztransaktionssteuer mit der etwa Bildung und Kita-Ausbau finanziert werden könnten und eine geringe Entlastung der Lohnssteuerpflichtigen auch – eine völlige Illusion.

Wechsel der Vorherrschaft? 

Die angebliche Sozialdemokratisierung der CDU ist reiner Etikettenschwindel. Der konservativer Flügel der CDU muss da wirklich keine Befürchtungen haben. Und NRW belegt: das Publikum bemerkt dies mittlerweile auch. Energie, Mindestlohn, Transaktionssteuer, alles wird zur Farce.

So wie im Fußball, als die Vorherrschaft in  der Liga von München nach Dortmund wechselte, könnte auch in der Politik die Vorherrschaft wieder zu Rot und Grün wechseln. Und je nach dem, wo sich die Piratenpartei verortet, könnte da eine kleine Partei heranwachsen, die Rot und Grün möglicherweise näher ist, als den Konservativen Parteien CDU/CSU und FDP. Dann hätten wir mal wieder eine Mehrheit links von der Mitte, wie Willy Brandt es sagen würde.

Sollten die Wahlforscher allerdings recht damit haben, dass in NRW in erster Linie Hannelore Kraft Wahlmotiv war, dann fließt noch viel Wasser Havel und Rhein  hinunter, ehe die SPD aus eigener Kraft im Bund aus dem 25-Prozent-Keller finden wird.

Die Ergänzung des Fiskalpaktes durch einen Wachstumspakt, wie die Troika ihn vorschlägt, ist ein Anfang. Was fehlt, ist eine inspirierende sozialdemokratische Vision, die auch eine alternde Gesellschaft zukunftsfähig hält. Wer Visionen hat, muss ja – und dass sollte Visionäre ermutigen - auch nach Auffassung des späten Helmut Schmidt nicht mehr zum Arzt gehen. Na bitte, nur Mut.

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Uwe Karsten Heye

Uwe-Karsten Heye ist Journalist. Von 1998 bis 2002 war er Regierungssprecher und Staatssekretär der Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Heye ist Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender des Vereins "Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland

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