Inland

Nach der Wahl ist noch alles offen

von Carl-Friedrich Höck · 6. November 2013

Die SPD hat bei der Landtagswahl deutlich hinzugewonnen. Nun sucht sie Partner zum Regieren.

Ein beeindruckendes Wahlergebnis hat die SPD bei der hessischen Landtagswahl am 22. September eingefahren. 30,7 Prozent der Wählerstimmen konnten die Sozialdemokraten für sich gewinnen. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als bei der vorangegangenen Landtagswahl 2009. Entsprechend groß war auf der Wahlparty der Sozialdemokraten in Wiesbaden die Freude über das Ergebnis. „Wir sind wieder da“, rief SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel dort seinen Anhängern zu. Die feierten ihn mit minutenlangem Applaus.

Doch in die Freude über den Wahlerfolg mischte sich ein Wermutstropfen. Denn klar wurde am Wahlabend auch: Für das von der SPD angestrebte rot-grüne Regierungsbündnis reicht das Ergebnis nicht aus. Allerdings hat auch die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung ihre Mehrheit verloren.

Wer die künftige Landesregierung bilden wird, ist bisher unklar. Rechnerisch möglich sind insgesamt vier Konstellationen: eine große Koalition aus CDU (38,3 Prozent) und SPD, eine Regierung aus SPD, Grünen (11,1 Prozent) und Linken (5,2 Prozent), Schwarz-Grün und eine Ampelkoalition aus SPD, den Grünen und der FDP (5,0 Prozent). 

In einer Reihe von Gesprächen versucht die hessische SPD-Führung derzeit, Gemeinsamkeiten mit möglichen Koalitionspartnern auszuloten. Dazu tauscht sie sich mit der CDU, den  Grünen und den Linken aus. Auch mit der FDP gab es ein erstes Treffen, um die Lage des Landes zu erörtern. Die Liberalen haben ein Bündnis mit SPD und Grünen aber per Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Auf welches Bündnis sich die Parteien auch einigen werden: Vor ihnen liegt ein steiniger Weg. 

CDU und SPD liegen insbesondere in Bildungsfragen weit auseinander. So will die SPD die Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium auf acht Jahre wieder abschaffen. Die CDU will es den Schulen überlassen, ob sie am Schnellabitur festhalten. Auch mit ihren Forderungen nach mehr echten Ganztagsschulen, wirksamen Maßnahmen gegen steigende Mieten oder einer besseren Finanzierung der Kommunen hat sich die SPD im Wahlkampf klar gegen die CDU positioniert.

Tief sind auch die Gräben zwischen der SPD und der Linken. Zentrale Streitpunkte sind unter anderem die Position zur neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens, die die Linke wieder schließen möchte, und die Schuldenbremse, die dem Land von 2020 an die Aufnahme neuer Schulden verbietet. SPD und Grüne wollen an ihr festhalten, die Linke lehnt sie ab. Ohne die Aussicht auf einen soliden Finanzplan will sich die SPD aber nicht auf eine Koalition einlassen. Hinzu kommt, dass ein rot-grün-rotes Bündnis nur eine knappe Mehrheit im Landtag hätte. Es käme auf 57 Sitze – nur einen mehr, als zum Regieren nötig ist.

Für eine neue politische Kultur

„In Hessen ist alles offen“, betonte Thorsten Schäfer-Gümbel nach den ersten Gesprächen mit möglichen Partnern. Drei Eckpunkte definierte er als Voraussetzung für eine Koalitionsbeteiligung der SPD: Es müsse inhaltliche Übereinstimmungen geben, eine solide Vertrauensbasis und Stabilität. Er betonte: „Allen drei Erfordernissen muss gleichermaßen Rechnung getragen werden.“ Keine der Wunschkonstellationen der Parteien habe eine Mehrheit bekommen. Deshalb müssten nun alle Parteien im Hessischen Landtag mit den neuen Verhältnissen umgehen und ihre bisherigen, festgefahrenen Positionen überdenken. Darin sieht Schäfer-Gümbel aber auch eine Chance für Hessen: „Wenn dies alle Parteien und Fraktionen schaffen, kann  eine neue politische Kultur in unserem Bundesland entstehen.“

Denn der Hessische Landtag ist für besonders scharfe Wortgefechte bekannt. Dennoch berichtete Schäfer-Gümbel nach den ersten Treffen mit der CDU, den Grünen und der Linken jeweils von „konstruktiven Gesprächen“. Ein Vorteil dabei sei, dass sich die Parteien mit der Entscheidung für Koalitionsverhandlungen Zeit lassen könnten. Der Grund: Erst am 18. Januar 2014 wird der neu gewählte Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten.
Bis dahin kommt auf Schäfer-Gümbel viel Arbeit zu. Denn er ist nicht nur an den Gesprächen in Hessen, sondern auch an den Koalitionsverhandlungen im Bund beteiligt. Zudem hat der SPD-Parteivorstand ihn für einen Posten als stellvertretender Parteivorsitzender nominiert. In diesem Amt soll Schäfer-Gümbel Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit nachfolgen, der nicht erneut kandidiert. Gewählt wird der neue Parteivorstand auf dem Bundesparteitag im November.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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