Nach dem Jamaika-Aus: Neuwahl, im Interesse der Demokratie
Liesa Johannssen/photothek.net
Kommentar
Die Republik hat noch gar nicht richtig realisiert, dass Angela Merkel und die potentiellen Jamaika-Parteien eine Regierungsbildung mit Karacho an die Wand gefahren haben, da wird schon mit dem Finger auf die SPD gezeigt: allen voran von Unionspolitikern und von Beobachtern, die noch nach der Bundestagswahl gegen eine neue große Koalition und für ein Jamaika-Bündnis getrommelt haben.
Die große Koalition wurde am 24. September abgewählt
Was für ein schräges Demokratieverständnis! Zur Erinnerung: Die noch geschäftsführende große Koalition ist der große Verlierer der Bundestagswahl. Die Union hat fast neun Prozentpunkte verloren, die Sozialdemokraten gut fünf. Beide Parteien haben ihr schlechtestes Ergebnis nach dem Zweiten Weltkrieg eingefahren. Die SPD hat daraus noch am Wahlabend die richtige Konsequenz gezogen und den Schritt in die Opposition angekündigt.
Die Union blieb trotz hoher Verluste unter Führung von Angela Merkel stärkste Kraft. Die FDP kam aus dem Stand mit fast elf Prozent wieder in den Bundestag, die Grünen haben ihr Ergebnis in etwa gehalten.
Angela Merkel hat keine Linie vorgegeben
Es war folglich die Aufgabe von Angela Merkel mit den demokratischen Parteien, die die Wählerinnen und Wähler nicht abgestraft haben, eine Regierung zu bilden. Das ist ihre Verantwortung als amtierende Kanzlerin, die diesen Job auch weitermachen will.
Dass die Sondierungsgespräche mit so unterschiedlichen Parteien kein Spaziergang werden würden, war von Anfang an klar. Aber von der Kanzlerin hat man während der vergangenen Wochen so gut wie nichts gehört. Sie hat keine Linie vorgegeben und keine Punkte gesetzt. Offenbar auch dann nicht, als die Liberalen schon den gezielten Ausstieg im Auge hatten. Merkel ist an dieser Stelle schlicht gescheitert.
Sich jetzt in eine Koalition der Wahlverlierer aus Union und SPD zu flüchten, wäre unredlich und deckt sich nicht mit dem Wählerwillen vom 24. September. Auch in allen Umfragen nach der Bundestagswahl lehnte eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die Neuauflage einer großen Koalition ab.
Die Wähler könnten anders entscheiden
Aber offenbar zählt das für alle jene nicht, die der SPD den schwarzen Peter zuschieben wollen, um vom eigenen Versagen abzulenken. Der für die Union bequemste Weg zum Machterhalt aber ist der Demokratie nicht zuträglich. Er würde die Politikverdrossenheit eher fördern statt senken.
Im Interesse der Demokratie tut die SPD also gut daran, sich jetzt nicht auf eine weitere große Koalition einzulassen, sondern eine Neuwahl zu riskieren. Wenn diese am Ende des Weges stehen, den der Bundespräsident nun vorgeben muss, haben erneut die Wählerinnen und Wähler das Recht zu entscheiden – auch anders zu entscheiden.
Am Versagen von Angela Merkel, die es nicht geschafft hat, das jetzige Wählervotum umzusetzen, ändert das nichts.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.