Nach Anti-Corona-Protest: Debatte über Maskenpflicht
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Der Berliner SPD-Innensenator Andreas Geisel sieht sich nach den erschütternden Szenen vor dem Reichtsag darin bestärkt, dass die Demonstration von vornherein hätte verboten werden müssen. Die Entwicklung habe deutlich gemacht, dass die Gefahrenbewertung der Behörden zutreffend gewesen sei, sagt er am Montagmittag im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Szenen vor dem Reichtsagsgebäude bezeichnet der Sozialdemokrat als „beschämende Bilder“, die er zutiefst bedaure. „Das hätte nicht passieren dürfen“, so Geisel, „und so etwas darf nicht wieder passieren.“ Schutzlos sei das Gebäude, in dem der Bundestag zusammenkommt, allerdings zu keinem Zeitpunkt gewesen, so der Sozialdemokrat mit Verweis auf die Polizist*innen, die wenige Momente später die Demonstrant*innen zurückdrängten. Darin sei er sich nach einem Gespräch mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble auch einig gewesen.
„Berlin wurde als Bühne genutzt“, sagt Geisel weiter und nimmt dabei alle Teilnehmer*innen der Demonstration mit in die Verantwortung. In der heterogenen Gruppe von Esoteriker*innen und Impfgegner*innen seien eben auch gewaltbereite Rechtsextremist*innen gewesen. „Jeder wusste, mit wem er dort gemeinsam marschiert“, kritisiert er die übrigen Teilnehmer*innen, „darüber muss sich jeder im Klaren sein“.
Im Nachgang werde der Einsatz, aber auch das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts ausgewertet, das am Freitag das Demonstrationsverbot gekippt hatte, so Geisel weiter. Als eine erste Reaktion stellt er eine Verschärfung des Infektionbsschutzgesetzes in Aussicht: Zusammen mit SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci plädiert er dafür, das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes bei künftigen Demonstrationen zur Pflicht zu machen – natürlich in Abwägung mit der im Grundgesetz verankerten Versammlungsfreiheit.
GdP-Vize: Erst Urteil zum Verbot auswerten
Bereits am Sonntag war Kritik laut geworden, dass die Polizei mit den rund 3.000 Einsatzkräften nicht ausreichend auf die Demonstration vorbereitet gewesen wäre. Dagegen wehrt sich der Innensenator ebenso wie Jörg Radek, Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die Einsatzstärke ist im Grunde nicht zu kritisieren“, so Radek im Gespräch mit dem „vorwärts“. Die Hygiene-Demos seien noch eine relativ neue Bewegung, die schwer einzuschätzen sei. „Wir wissen als Polizei, wie sich beispielsweise der schwarze Block oder Faschisten verhalten“, erklärte er mit Blick auf Demonstrationen, die in der Vergangenheit gewalttätig verlaufen waren. Die Hygiene-Demos hingegen seien ein bunter Mix aus Interessen und Menschen gewesen, die von der Polizei nicht von vornherein kriminalisiert werden sollten.
Ganz unerwartet kommt die Entwicklung aber für Radek nicht. „Es gab schon in der Vergangenheit Versuche von Rechtsextremen, diese Bewegung zu unterwandern“, ergänzt er, „davor haben wir als Gewerkschaft vor einigen Wochen schon gewarnt.“ Dass die Extremist*innen schon so früh versuchen, die Demos gegen die Corona-Regeln zu vereinnahmen, sei nicht mit anderen Bewegungen aus der Vergangenheit vergleichbar, meint der Gewerkschafter. Die Unerfahrenheit der Veranstalter bei Organisation und Anmeldung der Demo sei von den Extremist*innen ausgenutzt worden. Dass sich Szenen wie vor dem Reichstagsgebäude nicht wiederholen dürfen, darin sind sich Radek und Geisel einig: „Es gibt Menschen, die die Symbole unserer Demokratie beschädigen wollen“, so Radek.
Polizei-Bilanz: 316 Festnahmen
Laut der Polizei Berlin wurden am Samstag insgesamt 316 Personen im Zusammenhang mit der Demonstration festgenommen sowie 131 Strafanzeigen gestellt. Bei den Anzeigen soll es sich den Angaben zufolge um tätliche Angriffe, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Befreiung von Gefangenen, Beleidigungen und Körperverletzungen sowie Verstöße gegen das Waffengesetz handeln. 33 Polizist*innen wurden demnach im Einsatz verletzt.
Update, 1. September: Am Dienstag hat sich der Berliner Senat Medienberichten zufolge auf eine Maskenpflicht bei Demonstrationen verständigt. Die Pflicht gilt ab sofort und ab Demonstrationen mit über 100 Teilnehmer*innen. Werden Parolen gerufen oder Lieder gesungen, soll auch schon bei kleineren Versammlungen ein Mund-Nase-Schutz getragen werden.