Die SPD muss die Bürger besser vor Bespitzelung schützen. Wenn das national nicht gelingt, muss es auf europäischer Ebene erfolgen.
Das klare und unumstößliche Bekenntnis zur Demokratie war zu jeder Zeit für uns Sozialdemokraten unverhandelbar. Deshalb ist die von Edward Snowden öffentlich gemachte Massenbespitzelung von Menschen auch mehr als nur eine kleine „Schieflage“ zwischen Sicherheitspolitik und Grundrechtsschutz: Denn insbesondere die Nachrichtendienste, deren Aufgabe eigentlich der Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, haben augenscheinlich jedes Maß verloren. Das bedroht unsere Demokratie als Ganzes.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten, inklusive Deutschland, haben aber kein Interesse an einer Klärung und es bisher versäumt, der massenhaften Bespitzelung ihrer eigenen Bürger eine klare Absage zu erteilen. Es ist skandalös, dass die Bundesregierung die Totalüberwachung von 80 Millionen Deutschen ignoriert – das Ausspähen eines einzelnen Kanzler-Handys aber zum Skandal hochpusht.
Wenn der Grundrechtsschutz auf nationaler Ebene versagt, müssen wir ihn auf europäischer Ebene neu organisieren. Das EU-Parlament hat sich von Anfang an unmissverständlich zum Wert der Rechtsstaatlichkeit bekannt und eine Sonderuntersuchung der Vorwürfe durch den fachlich zuständigen Innenausschuss durchgesetzt. Gegen die konservative Mehrheit im Parlament konnten wir Sozialdemokraten zudem die Forderung nach einer Unterbrechung des SWIFT-Abkommens zum Zugriff auf europäische Bankdaten durch die USA erzielen. Auch ein vorläufiger Stopp der Verhandlungen über eine EU-US-Freihandelszone, wie etwa von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in die Debatte eingebracht, erscheint angebracht.
Kommunikation und Geheimdienstarbeit finden heute global statt, der Schutz von Privatsphäre und Meinungsfreiheit kann nicht allein durch die Nationalstaaten garantiert werden.
Dass einzelne EU-Staaten wie etwa Deutschland nun auf bilateraler Ebene Nichtausspäh-Verträge mit den USA abschließen wollen, ist nicht mehr als ein schlechter Witz. Das europäische Datenschutzpaket muss zügig auch vom Rat beschlossen werden, ein Datenschutz-Rahmenabkommen mit den USA muss umfassende Schutzgarantien für alle EU-Bürger sichern. Wir brauchen zudem einen europäischen Ansatz bei der Definition von nationaler und europäischer Geheimdienstarbeit und ihrer demokratischen Kontrolle. Auf nationaler und europäischer Ebene brauchen wir effektive Kontrollgremien für geheimdienstliche Aktivitäten.
Die SPD muss den Mut haben, diese Forderungen auch gegen kurzfristige wirtschaftliche Interessen, befreundete Supermächte und die eigenen nationalen Regierungen zu verteidigen. Geheimdienste sollen Freiheit und Demokratie schützen! Dafür müssen wir Sozialdemokraten uns einsetzen.
ist innenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.