Inland

Multaka – Wo Kunst Geflüchtete mit ihrer neuen Heimat verbindet

Berliner Museen bieten Führungen von Geflüchteten für Geflüchtete an. Das Projekt mit Namen „Multaka – Treffpunkt Museum“ kommt sehr gut an. Die Syrerin Narine Ali führt durch das Museum für Islamische Kunst.
von Yvonne Holl · 14. Oktober 2016
"Multaka – Treffpunkt Museum"
"Multaka – Treffpunkt Museum"

Multaka ist arabisch und bedeutet „Treffpunkt“. In schwarzen Lettern prangen die Worte auf dem gelben Schild, das Narine Ali hochhält: „Multaka – Treffpunkt Museum“- Zwei Leute kommen näher, sie wartet, kommt heute eine Gruppe zusammen? Ja, es gelingt, wie eigentlich meistens, mittwochs und samstags um 15 Uhr, vor dem Eingang zum Museum für Islamische Kunst im Pergamon-Museum. 

„Multaka“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Museum für Islamische Kunst, dem Vorderasiatischen Museum, der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst sowie dem Deutschen Historischen Museum. Seit 2015 werden dort syrische und irakische Geflüchtete als Museums Guides ausgebildet, die dann kostenlose Führungen für andere Geflüchtete anbieten  – auf arabisch. Narine Ali (24) ist eine von ihnen.

Multaka hilft, hier Fuß zu fassen

Die junge Syrerin  kam im April dieses Jahres über den Libanon nach Deutschland. Ihre Eltern bezahlten ihr den Flug und finanzieren ihr hier das Studium. Doch auch wenn ihre Reise nach Deutschland weniger beschwerlich und gefährlich war als die vieler ihrer Landsleute, ist auch Narine Ali vor dem Krieg geflohen. Ihre Familie blieb in Damaskus – die Eltern wollten die Heimat nicht verlassen.

In Berlin studiert Narine Ali Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität. Am Anfang fühlte sie sich isoliert, in einem fremden Land, weit weg von zu Hause. Sie spricht englisch und arabisch, deutsch lernt sie noch. Von Kommilitonen erfuhr sie von Multaka, bewarb sich und wurde zum Guide ausgebildet. Seit August führt sie mindestens zwei Mal im Monat Gruppen durch das Museum für Islamische Kunst. Narine Ali schwärmt: „Die Arbeit im Museum erinnert mich an zu Hause und hilft mir gleichzeitig, in meiner neuen Heimat Fuß zu fassen.“

Zwischen Weinen und Hoffen

Sieben Personen führt Narine Ali heute durch die Sammlungen von Kunstschätzen aus dem arabischen Raum. Es ist ein gemischte Gruppe aus jungen Irakern, Jordaniern und Syrern und zwei Deutschen, die von ihren Begleitern alles übersetzt bekommen. Besonders beeindruckend ist das Aleppo-Zimmer: ein opulent bemalter, holzgetäfelter Raum aus einem christlichen Privathaus in der syrischen Stadt. „Manche Besucher müssen hier weinen“, erzählt die junge Frau. Weil die Betrachtung der alten Schätze sie daran erinnert, dass jetzt fast alles vom Krieg zerstört ist. Ähnlich ist es bei Führungen im Deutschen Historischen Museum, wenn der Holocaust dargestellt wird. Allerdings schwingt dann bei vielen Besuchern auch Hoffnung mit: Zu sehen, dass sie heute in einem Land sicher sind, das so viel Gräuel erlebt hat, zeigt Ihnen, dass es auch für Syrien wieder eine Zeit des Friedens geben könne.

Gespräche über Heimat

Viele Besucher beschleichen allerdings auch gemischte Gefühle, wenn sie in einem deutschen Museum Kulturschätze sehen, die oft vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten aus der arabischen Heimat fortgeschafft wurden. Mohammed (34) stammt aus Jordanien, ihn berührt eine fein ziselierte Steinmauer, die aus seiner Heimat stammt. Seit zehn Jahren lebt der Informatiker in Berlin. Während der Führung übersetzt er akzentfrei für seine Freundin Anna ins Deutsche. Die 29-jährige Studentin hat ihn und zwei aus dem Irak Geflüchtete zu dem Ausstellungsbesuch überredet. Am Ende ist die ganze Gruppe in Gespräche vertieft, über Kunst, über Kulturschätze aus anderen Ländern, über Heimat und ein neues zu Hause.

Das ungewöhnliche Projekt wurde ausgezeichnet mit dem „Sonderpreis für Projekte zur kulturellen Teilhabe geflüchteter Menschen“ der Bundesregierung und ist Preisträger im Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“. Außerdem ist Multaka für den „Deutschen Engagementpreis 2016“ nominiert.

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Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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