Allen, die derzeit den Traum der Vollbeschäftigung träumen, müsste jedoch klar sein, dass die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nur eine Teilwirklichkeit abbilden. Menschen in Weiterbildungsmaßnahmen, 1-Euro-Jobber und Arbeitslose, die 58 Jahre oder älter sind, tauchen in den offiziellen Zahlen nicht auf.

Der 1. Mai - eine Reminiszenz an alte Zeiten?

Trotz positiver Nachrichten von sinkenden Arbeitslosenzahlen und möglicher Vollbeschäftigung folgten auch dieses Jahr viele Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften und gingen auf die Straße. Eine Reminiszenz an alte Zeiten? Mitnichten.

Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück, die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust bleibt

Die Zahl der Krankmeldungen ist rückläufig. In dem aktuellen Bericht des Berufsverbands der Deutschen Psychologen und Psychologinnen (BDP) "Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland" ist nachzulesen, dass nicht nur Arbeitslosigkeit zu Depressionen führt. Auch Menschen, die einen Arbeitsplatz haben, sind gefährdet.

Der Grund für beide Entwicklungen: Angst. Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg. Diese Angst hat mit der so genannten Hartz-IV Reform noch zugenommen. Denn der Sozialstaat sichert seitdem nicht mehr den Status, sondern nur noch die Existenz. Diese Angst hat alte soziale Sensibilitäten neu geweckt und treibt die Menschen auf die Straße.

Moderne Arbeitswelt: Quo vadis?

Hinter der ganzen Akrobatik um Arbeitslosenzahlen verbirgt sich jedoch die Frage, wie die Arbeitswelt in Zukunft organisiert sein soll. Um flexibel zu bleiben, beschäftigen Unternehmen jetzt schon immer kleinere Kernbelegschaften, die nach Bedarf um Randbelegschaften ergänzt werden. Diese neue Flexibilität umfasst befristete Arbeitsverträge, Leiharbeit, Minijobs, Teilzeitarbeit und den Einsatz von Praktika. Oftmals gehen diese neue Formen der Arbeitsbeziehungen mit Einbußen beim Lohn und bei den Arbeitnehmerschutzrechten einher. Erwerbstätigen wird so die Perspektive auf eine planbare Zukunft genommen.

"Was soll ich tun, wenn ich arbeitslos werde?"

Viele quälen sich mit dieser Frage. Hoher Leistungs- und Konkurrenzdruck sowie soziale Spannungen sind die Folge.

Um den Wiedereinstieg von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen, soll noch vor der Sommerpause das Gesetzgebungsverfahren beginnen, mit dem der Nürnberger Instrumentenkasten entrümpelt werden soll. Die "Eckpunkte für ein Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" des Bundesministeriums für Arbeit liegen bereits auf dem Tisch.

"An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser"

Noch ist die Formel nicht gefunden, mit der die Wirtschaftskraft wieder zum sozialen Fortschritt genutzt werden könnte. Eine wünschenswerte Richtung: Die Arbeitswelt dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt.

*Thomas Bibisidis ist Politikwissenschaftler und Doktorand am Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen in Köln, freier Autor und freier Dozent für politische Bildung.

Mehr zum Thema "Gute Arbeit und gerechte Löhne für alle" unter http://gute-arbeit.spd.de

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