Inland

Moderne Sklaverei auf deutschen Autobahnen

von Fréderic Verrycken · 20. Februar 2006
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Rolf Büttner, Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft ver.di würdigte das Buch als einen wichtigen Beitrag, um eine "überfällige Debatte über die Arbeitsverhältnisse der Transportarbeiter" zu führen. "Uli Röhm und Wilfried Voigt zeigen in ihrem Buch den ruinösen und brutalen Verdrängungswettbewerb in der Transportbranche auf. Forciert wird dies durch die Öffnung der Märkte in Osteuropa. Gnadenloses Lohn- und Sozialdumping sind die Folge", so Büttner.

Seit der Transportmarkt Anfang der 90er Jahre liberalisiert wurde, sei versäumt worden, wirksame und abschreckende Regeln gegen illegale und inhumane Beschäftigungsverhältnisse, zu schaffen, so Büttner. Zu den Regelbrüchen der Branche gehörten etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen, überladene Transporter, übermüdete Fahrer sowie Scheinselbstständigkeiten und Schwarzarbeit.



Nicht die Fahrer sind die Täter - es sind die Hintermänner


Osteuropäische Fahrer würden wie "Arbeitssklaven am Steuer" behandelt, so Büttner. Durch die Machenschaften einiger würden so die gesetzestreuen Betriebe und Arbeitnehmer systematisch benachteiligt. In der Transportbranche gälte: "Wer eindringlich alle Regeln bricht, kann mehr Profit und Umsatz machen". Nur selten würden die Hintermänner belangt, oft würden nur die Fahrer bestraft. "Sie sind das schwächste Glied", so Büttner.

Das es auch anders gehen kann, zeige das Beispiel der Task Force der

Rosenheimer Polizei, berichtete Uli Röhm, Redakteur beim ZDF-

Wirtschaftsmagazin WISO. Die Fahrer würden nicht als Täter behandelt, sondern seien wertvolle Zeugen, um gegen ihre kriminellen Chefs vorgehen zu können. Die LKW würden bei Folgevergehen beschlagnahmt, bis der Besitzer sich melde und vor Ort verantworte.



Zwei spektakuläre Prozesse gegen die Machenschaften in der Branche


Wilfried Voigt, langjähriger SPIEGEL-Korrespondent, verwies auf zwei große Prozesse gegen Spediteure aus dem Saarland und Baden-Württemberg, die in den nächsten Monaten anstünden. Über die Hintergründe berichte das Buch. Den Unternehmen würden zahlreiche Vergehen zur Last gelegt: Steuerhinterziehung, illegale Beschäftigung, Betrug und Bestechung.

Gegen derartige Machenschaften, die bei weitem kein Ausnahmefall darstellen würden, müsse vorgegangen werden, so Büttner. Ver.di setze sich zum Ziel, die Wirtschaftskriminalität in der Transportbranche zu bekämpfen und fordere ein Bündnis von Politik, Arbeitgeberverbänden und ver.di gegen Schwarzarbeit und

Kriminalität. Büttner weiter: Die Gewerkschaft setze sich für die Verlader- und Auftraggeberhaftung sowie sicherere und humanere Arbeitsbedingungen ein.

Uli Röhm, Wilfried Voigt: Tatort Autobahn. Kriminelle Machenschaften im

Speditionswesen. Campus Verlag, 220 S., 19,90 €. ISBN: 3-593-37316-5

Foto: zoll.de

Autor*in
Fréderic Verrycken

Chefredakteur der DEMO, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf

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