„Mitte-Studie“ 2016: Deutschland, gespalten Vaterland
Sind Sie in der Frage nach einer möglichen Obergrenze für Flüchtlinge unentschlossen, finden den Vorschlag teils gut und teils schlecht? Wenn ja, dann gehören Sie zu einer Minderheit im Land. Laut „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung antworteten auf die Frage nach der Obergrenze nur 13,3 Prozent der Befragten unentschieden. 34 Prozent sind dagegen, 53 Prozent dafür.
AfD: Rechtsruck schreitet voran
Weil es nicht nur in der Frage nach Obergrenzen ein „Dazwischen“ kaum noch gibt, haben die Autoren ihrer Studie den Titel „Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände“ verpasst. Sie setzen damit die im Jahr 2002 begonnene Langzeituntersuchung zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland fort und halten einer Gesellschaft, die sich zuletzt immer weiter polarisiert hat, den Spiegel vor.
Die zentralen Befunden der Studie: Die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland hat sich verfestigt und stabilisiert, ebenso der Anteil rechtsextremer Einstellungen. Zwar liegen die Werte deutlich unter jenen früherer Jahre, ihr Rückgang jedoch ist vorerst gestoppt. Darüber hinaus sympathisieren jene Menschen, die rechtsextreme Einstellungen aufweisen, besonders häufig mit der AfD. Wähler der Partei werten besonders häufig Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen ab und radikalisieren sich. „Der Rechtsruck bei Partei wie Anhängern ist vorangeschritten“, erklären die Autoren der Studie auf Basis ihrer Ergebnisse. Letzter Befund: Die verhältnismäßig kleine, zu Demonstrationen gegen Zuwanderung bereite Gruppe (sieben Prozent) ist zunehmend gewaltbereit und damit auch gefährlich.
Wenn Vorurteile zur Norm werden
Ziel der Gewalt waren zuletzt immer häufiger geflüchtete Menschen. Rechtsextreme Straftaten auf Rekordniveau passen zum Studienergebnis, wonach negative Meinungen über Asylbewerber zwischen 2014 und 2016 von 44 auf 50 Prozent gestiegen sind. „Das ist schon eine beträchtliche Zahl“, so Andreas Zick, Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt und Gewaltforschung der Universität Bielefeld (IKG), das gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Studie erstellte. Zick verwies auf die Verdopplung rechtsextremer Einstellungen in den neuen Bundesländern und erklärte, dass in Teilen der Gesellschaft Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen wie beispielsweise Flüchtlingen zur Norm würden.
Zuzutreffen scheint das insbesondere auf die Gemeinschaft der befragten AfD-Wähler. 88 Prozent von ihnen stimmten Abwertungen von Asylbewerbern zu, bei fremdenfeindlichen und islamfeindlichen Aussagen waren es 68 und 64 Prozent. „Die Radikalisierung der AfD ist auch an den Aussagen ihrer Anhänger messbar“, so Zick bei der Vorstellung der Studie am Montag in Berlin. Eine Zunahme von rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen seitens der AfD-Anhänger sei klar erkennbar.
AfD: Sicherer Hafen für die Neue Rechte
Erstmals widmete sich die „Mitte-Studie“ 2016 auch der Verbreitung von Einstellungsmustern der sogenannten „Neuen Rechten“ innerhalb der Bevölkerung. Im Ergebnis vertreten 28 Prozent der Befragten neurechte Einstellungen, die sich aus Fragmenten wie Protest gegen das Establishment, einer vermeintlichen Unterwanderung durch den Islam, die Behauptung eines Meinungsdiktats oder die Berufung auf ein Widerstandsrecht gegen die aktuelle Politik zusammen setzt. Die größten Übereinstimmungen erzielten dabei einmal mehr die befragten Anhänger der AfD: 84 Prozent derer neigen der Studie zufolge zu neurechten Einstellungen.
Eine umfangreiche Auswertung der „Mitte-Studie“ lesen Sie auf bnr.de.
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