Um seine weiblichen Fachkräfte nach der Elternzeit nicht zu verlieren, baut Siemens eigene Kitas und zahlt Zuschüsse für Krippenplätze.
Beruf und Familie sind unvereinbar, glauben laut aktueller Studien 83 Prozent der Eltern. Außerdem gilt in Branchen mit hohem Männeranteil Familienfreundlichkeit als überflüssig. Das ändert sich allmählich. Einer der Vorreiter ist der Technikkonzern Siemens: Mit seinem Zuschuss für externe Kinderbetreuung und mit eigenen Kindergärten übernimmt das Unternehmen eine Vorreiterrolle. Aktuell hat Siemens 900 Betreuungsplätze an 19 Standorten. Bis 2015 soll bundesweit sogar auf 2000 Kitaplätze aufgestockt werden.
Derzeit ist nur ein Fünftel der Siemens-Belegschaft weiblich. „Bei den weiblichen Führungskräften unter dreißig haben wir 30 Prozent Frauenanteil, dann verlieren wir die Frauen“, weiß Brigitte Ederer. Als Personalvorstand setzt sie darauf, nicht nur verstärkt Frauen für den Konzern zu gewinnen, sondern sie auch nach der Familiengründung zu halten. „Wenn wir attraktiv sein wollen, müssen wir Eltern mit Krippenkindern etwas bieten.“ Deshalb bekommen auch Führungskräfte bei Siemens auf Wunsch Teilzeitverträge.
Ein richtiger Volltreffer ist die „Anti-Herdprämie“. 100 Euro Kinderbetreuungszuschuss zahlt der Technologie-konzern seit 2011 monatlich, wenn Eltern – in der Regel Frauen – schnell an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Allein diese Familienförderung haben schon 6000 Mitarbeiter beantragt. „Wenn die Frauen zu lange wegbleiben, verlieren sie ihre Qualifikation und die Kontakte“, so Ederer. Für Kinder unter 14 Monaten zahlt Siemens bis zur Einschulung noch mal bis zu 500 Euro pro Monat für Betreuungskosten.
Als die Betriebsratsvorsitzende Nadine Florian vor zehn Jahren ihrem Personalleiter empfahl, in Duisburg einen eigenen Werkskindergarten zu bauen, hieß es zunächst: „Brauchen wir nicht“. Das spornte die Bürokauffrau an, Überzeugungsarbeit zu leisten: „Gute Mitarbeiter aus dem bayerischen Raum in den als provinziell geltenden Ruhrpott zu locken war schwierig.“ Hauptargument der „überzeugten Ruhrgebietspflanze“ war somit die Personalgewinnung für Duisburg. Der Betriebskindergarten sollte den Standort attraktiver machen. Im bayerischen Raum unterhielt Siemens damals auch schon eigene Kindergärten. Die quirlige 36-Jährige suchte sich vor Ort Unterstützer: „Denn es war wichtig, die Betriebsleitung zu überzeugen“, so Florian. Immerhin kostet es gut eine Million Euro, einen eigenen Kindergarten inklusive laufender Kosten zu finanzieren.
Florian war erfolgreich: „In Duisburg wurde 2009 der erste Kindergarten auf werkseigenem Gelände eröffnet“, erzählt Nadine Florian – und klingt stolz: Sie kehrte 2007, ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Soraya, ins Büro zurück: Anfangs arbeitete sie zwei bis vier Stunden Teilzeit, nahm an den Baubesprechungen teil, war auf dem Laufenden und konnte bei Soraya sein. Seit 2009 arbeitet Nadine Florian wieder voll und ihre Tochter ist in der Kita. Sie schwärmt: „Es gibt dort ein Kinderlabor mit durchsichtigen Abwasserrohren, häufige Ausflüge in den Wald, einen hohen Personalschlüssel und Notfallbetreuung für Kinder, die nicht in der Kita sind.“ Aktuell kümmern sich im Duisburger Siemens-Kindergarten neun Erzieherinnen um 52 Kinder. Weil die Nachfrage so groß ist, wurden zuletzt in Bocholt und Mülheim neue Kitas eröffnet, in Duisburg kam ein Erweiterungsbau für die dritte Gruppe dazu.
Firmenporträt Siemens AG
Geschäftsfeld: Elektronik und Elektrotechnik
Firmensitz: Doppelstandort in München (Konzernzentrale) und Berlin
Gegründet : 1847
Beschäftigte:
116 000 in Deutschland
360 000 weltweit
Produktpalette: Große Bandbreite von Antriebstechnik bis Gesundheitswesen; u.a. Fernzüge für die DB, Computertomographen für Kliniken , Turbinen und Generatoren für Kraftwerke
Betreuungsplätze für Kinder von Siemens-Beschäftigen: derzeit 900 an 19 Standorten