Mit 92,7 Prozent gewählt: Frank Werneke beerbt Frank Bsirske als Ver.di-Vorsitzenden
Aus Nordrhein-Westfalen stammt der Mann, der künftig die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland anführt: Frank Werneke, 52 Jahre alt, ist von den Delegierten am Dienstag zum neuen Bundesvorsitzenden der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gewählt worden. Er beerbt Frank Bsirske, der 18 Jahre lang bei Ver.di an der Spitze stand.
Nun also ein Sozialdemokrat, nachdem die aus fünf Gewerkschaften zusammengeführte ver.di seit ihrer Gründung im Jahr 2001 von Bsirske, Mitglied der Grünen, geführt worden war. Wobei auch Werneke kein neues Gesicht im Vorstand ist: Seit 2002 - also fast so lang wie Bsirske, ist Werneke sein Stellvertreter. Dabei trat der Ostwestfale allerdings nur selten in Erscheinung, blieb medial eher unauffällig.
Geboren wurde er 1967 in der Nähe von Bielefeld. Mit 16 hatte er seinen Realschulabschluss in der Tasche, beginnt 1983 eine Ausbildung zum Verpackungsmittelmechaniker in Bielefeld. Im selben Jahr beginnt auch seine Karriere als Gewerkschafter. Erst als Jugendvertreter und Vertrauensmann im Betrieb, damals noch für die Industriegewerkschaft Druck und Papier beziehungsweise Medien, die später in Ver.di aufging. Zehn Jahre nachdem er seine Ausbildung begonnen hat, ist er Bundessekretär in der Fachgruppe Druckindustrie, es folgt ein Posten im geschäftsführenden Hauptvorstand der IG Medien, kurz nach der Gründung von ver.di wird er stellvertretender Vorsitzender, ist unter anderem für die Finanzen der Arbeitnehmerorganisation verantwortlich. Es ist eine klassische Karriere von der Ausbildung bis an die Spitze der Arbeitnehmervertreter.
Werneke fordert Investitionen und politische Unterstützung
Doch wofür steht Werneke? Seitdem er im vergangenen Jahr zur Wahl des Vorsitzenden vorgeschlagen wurde, schärft Werneke sein Profil. Vor wenigen Tagen erst kritisierte er die Finanzpolitik der schwarzen Null, forderte mehr Investitionen zu Gunsten der nachfolgenden Generationen im Handelsblatt. Während Bsirske vor allem durch lautstarke Reden auffiel, versteht Werneke sich eher als Zuhörer, erzählte er in einem Interview mit dem Bonner Generalanzeiger. Lautstarke Attacken, rethorisches Poltern – damit hatte Bsirske häufig Aufsehen erregt – dürfte Werneke demnach wohl nicht planen.
Andererseits: Wie sich Werneke künftig auf seinem neuen Posten einrichten wird, auf Augenhöhe mit den anderen großen Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund, bleibt abzuwarten. Seine Grundsatzrede auf dem Bundeskongress in Leipzig will er am Mittwoch halten. Dann dürfte deutlicher werden, welche Ziele Werneke verfolgt und wie er ver.di künftig stärken will. Denn die Aufgaben für die Dienstleistungsgewerkschaft sind nicht kleiner geworden - Unternehmen flüchten aus Tarifverträgen, immer mehr Menschen müssen gerade in diesen Arbeitsfeldern vom Mindestlohn leben, in vielen Branchen ist der Organisationsgrad der Mitarbeiter gering.
Gerade in Sachen Tarifbindung hat sich Warneke bereits in die politische Debatte eingemischt. Öffentliche Aufträge sollten künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden, die ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen. „Das wäre ein ganz starkes Signal der Politik zur Stabilisierung der Tarifverträge“, sagte er am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Er erhofft sich von der Politik auf diese Weise Unterstützung für die Vertretung von Arbeitnehmern, nimmt aber auch ver.di selbst in die Verantwortung: „Wir müssen mächtig genug sein, um Tarifverträge durchsetzen zu können.“
Rückenwind für Vermögensteuer
Bei seiner Vorstellung auf dem Bundeskongress machte er sich für eine Vermögensteuer stark: „Wir müssen Reichtum endlich angemessen besteuern, um Renten besser zu finanzieren und Verteilungsgerechtigkeit durchzusetzen", forderte er am Dienstag in Leipzig. Dafür wolle er sich einsetzen und dafür werde Ver.di kämpfen. Als für ihn prägend bezeichnete er außerdem die Arbeitskämpfe in der ostdeutschen Medienbranche nach der Wende. „Ich habe die Konflikte miterlebt“, erinnerte er die Deligierten, „Als die Treuhand die Zeitungsunternehmen an Verlage im Westen verscherbelte.“ Schon da sei versucht worden, die Tarifflucht zu etablieren. Damals habe er aber auch erlebt, dass durch gemeinsame Kämpfe die Arroganz der Mächtigen gebrochen werden kann. „Ich bin Gewerkschaftsmitglied, weil ich Unrecht überwinden will“, erklärte er seinen inneren Antrieb.
Eine Motivation, die auch die Delegierten in Leipzig mit einem guten Wahlergebnis quittierten: Werneke wurde mit 92,7 Prozent gewählt - 825 gaben ihm seine Zustimmung. „Ich nehme es in Demut entgegen und weiß, welche Verantwortung damit verbunden ist“, erklärte er unter dem Beifall der Anwesenden. Als Stellvertreter folgten die Delegierten ebenfalls dem Wahlvorschlag und wählten Andrea Kocsis und Christine Behle. Gegenvorschläge gab es beim Bundeskongress keine.
Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel gratulieren
Als direkte Reaktion auf die Wahl gratulierten auch die kommissarischen Parteivorsitzenden der SPD, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel. „Wir freuen uns über Deine Wahl und sind uns sicher, dass die gute Zusammenarbeit unserer beiden Organisationen auch in Zukunft fortgesetzt wird“, erklärten beide in einem offiziellen Statement. „Wenn sich Sozialdemokratie und Gewerkschaften einig sind und wir an einem Strang ziehen, dann gibt es auch gesellschaftlichen Fortschritt.“
Ebenso wie Werneke prangerten sie die Ungleiche Verteilung von Reichtum innerhalb von Deutschland an - verbunden mit der gemeinsamen Aufgabe von Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, diese wachsende Ungleichheit zu bekämpfen.