Dass Minijobs maßgeblich zur Armut bei Arbeit und im Alter beitragen, ist bekannt. Für 4,7 Millionen Beschäftigte sind sie Haupteinkommensquelle, 2,7 Millionen üben sie im Nebenjob aus. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat durch das Anheben der Einkommensgrenze von 400 auf 450 Euro neue Anreize geschaffen; dabei gehört die Begrenzung von Minijobs auf die Wahlagenda.
Mit 7,4 Millionen Beschäftigten - davon zum weit überwiegenden Teil für Frauen - sind Minijobs längst in den Mittelpunkt der Beschäftigung gerückt. Die gesetzestechnisch „geringfügige Beschäftigung“ erscheint für viele Arbeitnehmer „attraktiv“, da sie keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Es gilt „Netto für Brutto“- bei Sozialversicherungsbeiträgen von etwa 20 Prozent. Für die Gesundheitsversorgung besteht weiterhin die Familienversicherung, über die Altersrente machen sich viele Arbeitnehmer gerade in jüngeren Jahren wenig Gedanken oder verlassen sich auf die Altersrente der Partner.
Auch für Arbeitgeber haben diese Minijobs eine erhebliche Anziehungskraft: Sie können die Arbeit noch flexibler an die wechselnde Nachfrage anpassen und sparen Arbeitskosten, auch wenn sie im gewerblichen Bereich inzwischen 30 Prozent Abgaben vorwiegend an die Sozialversicherung und auch zu einem geringen Teil an Steuern leisten müssen.
Doch sind die Löhne im Durchschnitt um 30 bis 40 Prozent niedriger als für Normalbeschäftigte. Zudem wissen Minijobber häufig nicht, dass für sie die gleichen arbeitsrechtlichen Bedingungen gelten wie für Normalbeschäftigte. Beide Seiten des Arbeitsmarktes haben somit ein hohes Interesse an diesen Minijobs.
Armutsfalle für Frauen
Der enge Zusammenhang zwischen diesen Minijobs, der Ausbreitung von Niedriglohnsektoren sowie Armut bei Arbeit und im Alter ist eindeutig belegt. Der seit Anfang 2011 vorliegende Gleichstellungsbericht legt zudem die verheerenden Wirkungen von Minijobs gerade für Frauen schonungslos offen. Erforderlich sind daher konkrete Festlegungen für die Eingrenzung der geradezu „explodierten“ Minijobs.
Seit Jahren liegt die Bundesrepublik mit einem Lohn-Gap der Frauen von etwa 23 Prozent im EU Vergleich auf den untersten Rängen. Während sie in den letzten Jahren bei der Erwerbtätigkeit aufgeholt hat, liegt sie bei den Arbeitsstunden weiterhin am untersten Ende. Ausschlaggebend dafür sind auch diese Minijobs mit niedrigen Arbeitsstunden, noch niedrigeren Löhnen und wenig Zukunftschancen, denn sie sind keine Brücke und auch nicht einmal ein gangbarer Steg in die reguläre Beschäftigung mit beruflichen Entwicklungsperspektiven.
Für Frauen, die nach der Familienphase wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren, gibt es häufig keine anderen Arbeitsmöglichkeiten als Minijobs. Dies gilt selbst in den Gesundheits- und Pflegeberufen, in denen ständig der Personalnotstand ausgerufen wird. Wegen der hohen körperlichen und seelischen Belastung, gerade in diesen Tätigkeiten, aber auch ihrer Familienverantwortung wollen Frauen vielfach Teilzeit arbeiten. Jedoch sind sie an regulärer Teilzeitarbeit mit voller Sozialversicherung und einer erheblich höheren Stundenzahl sowie dem damit verbundenen höheren Einkommen interessiert.
Bekämpfung prekärer Beschäftigung als Ziel
Eine nachhaltige Beseitigung dieser Minijob-Falle ist nur möglich, wenn diese Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen vollständig beendet wird. Dann entfällt für Arbeitnehmer die „Versuchung“, durch Arbeit zu „Brutto für Netto“ Sozialversicherung und Steuern zu sparen, was sie allerdings mit niedrigen Löhnen und Renten bezahlen müssen. Für die Sozialversicherung würden die milliardenschweren Ausfälle bei den Einnahmen beendet, die jetzt von den übrigen Beitragszahlern getragen werden müssen und zu schlechteren Leistungen führen.
Ein erster Schritt ist die Einführung einer Stundenbegrenzung auf 15 Stunden pro Woche, wie es die SPD Bundestagsfraktion fordert. Darüber hinaus müssen die Arbeitszeiten und Verdienste von Haupt- und Minijobs für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge zusammengerechnet werden. Es ist höchste Zeit, dass die wirksame Einschränkung dieser Minijobs bei der politischen Wahlagenda auf die oberen Ränge gesetzt wird.
Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.