Mindestlöhne steigen - sechs EU-Staaten bei mehr als acht Euro
Die meisten europäischen Länder beteiligen die Geringverdiener an den Zuwächsen: Alle Mitgliedstaaten, in denen es einen gesetzlichen Mindestlohn gibt, haben ihn 2007 erhöht oder werden das
noch tun, zeigt Tarifexperte Thorsten Schulten im Europäischen Tarifbericht des
WSI 2006/2007. Elf EU-Mitglieder hoben die unteren Lohngrenzen zum Januar an, sieben im
Laufe des Jahres, Großbritannien und die Slowakei haben diesen Schritt zum Oktober angekündigt. Dann werden in sechs EU-Ländern keine Stundenlöhne mehr unter acht Euro erlaubt sein.
Am stärksten aufgestockt haben 2007 die Iren - der aktuelle Mindestlohn liegt um einen Euro höher als im Juli 2006. Die britische Norm steigt gegenüber dem Vorjahr um etwa 90 Cent, die
französische um 27 Cent. In der Regel erfolgt die Anpassung in einem jährlichen oder halbjährlichen Turnus, fast überall bestimmt sie der Staat unter Beteiligung der Tarifparteien. Die Unterschiede
in den Lebenshaltungskosten spiegeln sich in den Mindestlöhnen wider: In Luxemburg liegt die Marke 17-mal so hoch wie in Bulgarien. Bezieht man die Kaufkraft mit ein, reduziert sich das Verhältnis
auf 1:7, zeigen Schultens Berechnungen. Die gemessen am Durchschnittslohn höchsten Untergrenzen haben derzeit Irland und Frankreich. Im Vergleich eher niedrig liegen die Mindestlöhne in den meisten
Beitrittsländern Mittel- und Osteuropas. Dort aber spielen sie "angesichts eher schwach entwickelter Tarifvertragssysteme für die gesamte Lohnentwicklung eine besonders wichtige Rolle", so der
Tarifexperte.
Eine neue Mindestlohn-Variante führt Österreich ein: Die Dachverbände von Gewerkschaften und Arbeitgebern haben die Tarifparteien in allen Branchen aufgefordert, bis Anfang 2009 in den
Tarifverträgen die untersten Lohngruppen auf 1.000 Euro pro Monat anzuheben. Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden würde dies einem Stundenlohn von 5,92 Euro entsprechen. Da
aber die meisten Tarifverträge 14 Monatsgehälter enthalten, erhöht sich dem Europäischen Tarifbericht zufolge der faktische österreichische Mindestlohn bei einem Jahreseinkommen auf 6,91 Euro pro
Stunde.
* Das WSI ist das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung
Quelle:
Böckler Impuls 13/2007