Inland

Mindestlohn: Jobkiller oder Beschäftigungsgarant?

von Die Redaktion · 28. November 2007
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Wie sollte ein Mindestlohn gestaltet werden? Wie ist der Stand der Debatte in beiden Ländern? Welche Erfahrungen hat Polen gemacht? Ist der Mindestlohn Motor oder Bremse für Wachstum und Beschäftigung? Ist ein Koordinierung auf europäischer Ebene sinnvoll und wie kann diese aussehen? Dies sind nur einige Fragen, die die Experten beantworten wollten.

Auf europäischer Ebene haben 20 von 27 Mitgliedstaaten einen Mindestlohn. Er variiert zwischen 9,08 Euro (Luxemburg) und 0,53 Euro (Bulgarien). Für Deutschland wird ein Mindestlohn von 7,50 Euro gefordert. Ottmar Schreiner, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, wies darauf hin, dass dieser Vorschlag sich an den westeuropäischen Durchschnittslöhnen orientiere. Er läge am unteren Ende der vergleichbaren Länder.

Mindestlohndebatte in Deutschland

Ausgangspunkt für die Mindestlohndebatte in Deutschland ist der steigende Anteil von Niedriglöhnen in vielen Branchen. Als wichtigstes Argument für die Notwendigkeit eines solchen Mindestlohns wird der Schutz vor Lohndumping durch ausländische Billigkonkurrenz angeführt.

Claudia Weinkopf, stellvertretende geschäftsführende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, erläuterte, dass es sowohl positive als auch negative Folgen eines Mindestlohns in verschiedenen Ländern gebe. Deshalb sei es abhängig von der Ausgestaltung und den Rahmenbedingungen, wie sich ein Mindestlohn auswirke. Ohne verbindliche Untergrenze allerdings, seien dem Lohndumping keine Grenzen gesetzt, resümierte sie. Es solle deshalb über das "Wie" einer Einführung in Deutschland diskutiert werden, und nicht über das "Ob".

Mindestlohndebatte in Polen

In Polen, so Julian Kormann, Präsident des Verbandes der Polnischen Dienstleistungsunternehmen e. V. , gäbe es schon seit 1956 einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Er sichere den Arbeitern das Existenzminimum. Aktuell entspräche der Mindestlohn etwa 35 Prozent des Durchschnittslohns in Polen, erklärte sein Landsmann, Dr. Tomasz Kalinowski vom Danzier Institut für marktwirtschaftliche Forschung. Für die jüngere Generation sei er aber kaum ein Thema. Inzwischen seien zirka 1,5 Millionen Jüngere zum Arbeiten ins Ausland gegangen.

Dieses Phänomen konnte auch Kazimier Kuberski, Unterstaatssekretär im Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik, Warschau, beobachten. Nach dem EU-Beitritt Polens hätte es eine gewaltige Arbeitsmigration ins europäische Ausland gegeben. Die Migranten seien gut ausgebildet. Da ihre Löhne aber deutlich über den Mindestlöhnen lägen, hätte die Anhebung derselben keinen Einfluss auf die Arbeitsmigration, erklärte er.

Mindestlohndebatte auf europäischer Ebene

Eine Koordinierung auf europäischer Ebene sei nicht so einfach, erklärte Willem Noâ, Mitglied der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Denn die Kompetenz in diesem Bereich läge bei den Mitgliedsstaaten, nicht bei der Kommission. Möglich wäre die Anwendung der so genannten "Offenen Methode der Koordinierung" (OMK), die auch schon bei der Europäischen Beschäftigungsstrategie - besser bekannt als Lissabon-Strategie - zum Tragen kam. Wesentliche Instrumente der OMK sind unverbindliche Empfehlungen und Leitlinien der Kommission an die Mitgliedstaaten. Außerdem gibt es eine Art Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern und den so genannten Benchmark-Prozess. Dabei werden die Maßnahmen der einzelnen Länder von der Kommission überprüft. Werden die gesetzten Ziele von den Mitgliedstaaten nicht erreicht, wird das von der Kommission veröffentlicht. Entscheidend sei, dass ein europäischer Mindestlohn immer im Rahmen der allgemeinen Arbeitsbedingungen der Länder gesehen werden müsse, so Noâ.

Auch die Gewerkschaften befürworten das Verfahren der OMK für einen Mindestlohn auf Europäischer Ebene. Jörg Wiedemuth, Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei der ver.di Bundesverwaltung, sagte, ein einheitlicher Mindestlohn für alle europäischen Länder sei auf lange Sicht utopisch. Jedoch wäre die Formulierung eines gemeinsamen Entwicklungsziels wesentlich für eine gemeinsame Initiative.

Eine europäische Regelung nach dem Verfahren der OMK zielt also nicht auf die Vereinheitlichung der Löhne. Vielmehr soll damit eine Vereinheitlichung der politischen Praxis in den Mitgliedsstaaten bewirkt werden.

Mamke Kühl

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