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Mietendeckel: Was das Verfassungsgericht jetzt entscheiden muss

Julian Zado ist zuversichtlich was die Klagen zum Mietendeckel angeht. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD Berlin hofft vor allem darauf, dass das Verfassungsgericht schnell entscheidet. Denn ab Herbst sollen die Mieten auch abgesenkt werden dürfen.
von Benedikt Dittrich · 4. Februar 2020
Der Berliner Senat hat den Mietendeckel beschlossen – jetzt hofft die SPD auf eine schnelle positive Entscheidung des Verfassungsgerichts.
Der Berliner Senat hat den Mietendeckel beschlossen – jetzt hofft die SPD auf eine schnelle positive Entscheidung des Verfassungsgerichts.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am Freitag den Mietendeckel beschlossen. Was kommt jetzt auf Mieter*innen und Vermieter*innen zu?

Unser Kernelement des Mietendeckels ist, die Mieten auf dem Stand von Mitte Juni 2019 für fünf Jahre einzufrieren. Wir wollen damit die Mietpreisspirale in Berlin stoppen. Darüber hinaus gibt es ab Herbst die Möglichkeit, Mieten für bestimmte Wohnungen abzusenken. Das hängt von den Durchschnittsmieten in den verschiedenen Lagen ab.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat den Deckel als „Atempause für Mieter“ bezeichnet. Was muss denn in dieser „Atempause“ passieren?

Ich finde den Begriff „Atempause“ eigentlich zu defensiv. Das ist die effektivste Mietenregulierung, die es in Deutschland bis jetzt gegeben hat. In Berlin sind die Mieten so extrem gestiegen, dass wir diese Entwicklung stoppen mussten. Es soll keine Londoner oder Pariser Verhältnisse bei uns geben. Aber natürlich gibt es zu wenige Wohnungen. Wir müssen jetzt bauen, um mehr Wohnraum zu schaffen. Dabei müssen wir darauf achten, dass nicht nur teure Wohnungen gebaut werden, die für eine Durchschnittsfamilie nicht bezahlbar sind. Wir müssen das „Berliner Modell“ konsequent anwenden.

Berliner Modell bedeutet was genau?

Das bedeutet, dass das Angebot gestaffelt ist. Es sollen mehr Sozialwohnungen und Wohnungen mit günstigen Mieten auf jedem Grundstück angeboten werden. Dieses Prinzipgibt es schon, aber es gibt zu viele Ausnahmen. Wir müssen jetzt konsequent günstigen, bezahlbaren Wohnraum schaffen in den nächsten fünf Jahren. Zusätzlich muss es zur Strategie gehören, private Wohnungen zurückzukaufen, immer da, wo es sinnvoll ist. Damit entstehen zwar keine neuen Wohnungen, aber über öffentliche Wohnungsbaugesellschaften können die Mietpreise zusätzlich reguliert werden. Dann bleiben mehr gute Wohnungen erhalten, die auch ohne Mietendeckel erschwinglich bleiben.

Bauunternehmen laufen Sturm gegen den Mietendeckel, Klagen werden eingereicht, Investitionen werden in Frage gestellt. Wie haben Sie die Debatte im vergangenen Jahr wahrgenommen?

Für mich persönlich ist das die intensivste Debatte, die ich bisher in meinem politischen Leben erlebt habe. Sie lief unglaublich schnell und hart ab. Die Idee des Mietendeckels wird ja erst seit Januar 2019 politisch diskutiert. Nachdem wir die Diskussion angestoßen haben, kamen mehrere Rechtsgutachten, die bestätigt haben, dass der Mietendeckel umsetzbar ist. Außerdem haben wir eine politische Mehrheit für die Umsetzung, sodass das ganze Gesetzgebungsverfahren dann so schnell ablief. Es gab dabei sehr viel Widerstand von der Immobilienlobby. Da hat man gemerkt: Das ist die Kapitalseite, die da aufgeschreckt wurde. Für mich ist das ein Indiz dafür, dass das kein Placebo ist, sondern dass das wirklich etwas verändert.

Gibt es Argumente von der Gegenseite, von denen Sie sagen: In dem Punkt ist die Kritik gerechtfertigt?

Wir begrenzen die Profite der Vermieter*innen. Die  wehren sich natürlich dagegen, denn sie wollen es  so lassen wie es ist und ihre exorbitanten Gewinne behalten. Politisch ist das nicht gerechtfertigt. Für uns als SPD Berlin ist klar, dass die Menschen vor dem Profit kommen müssen. Das ist eine ganz klare Wertentscheidung. Wir wollten keinen Interessenausgleich irgendwo in der Mitte, weil die Interessen sind schon zu krass zugunsten der Vermieter*innen verschoben worden. Die diktieren bislang die Preise, während die Mieter*innen keine Wahl haben, weil die Wohnungen ja gebraucht werden.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten der laufenden Klagen?

Was das Einfrieren der Mieten angeht, bin ich sehr zuversichtlich. Denn wir nehmen den Vermieter*innen nicht ihr Eigentum weg, sondern begrenzen nur die Gewinne. Was das Absenken angeht, ist es juristisch schwieriger, weil der Eingriff stärker ist. Dem Vermieter wird ja etwas genommen, was vorher vertraglich vereinbart wurde. Andererseits wird ja nur die zukünftige Miete abgesenkt, die vergangenen Mieteinnahmen werden nicht weggenommen.  Ich hoffe jedenfalls, dass darüber schnell entschieden wird.

Grundsätzlich geht es aber erst um die Frage, ob das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für so eine Mietobergrenze hat. Erst wenn das geklärt ist, geht es um die Frage, ob der Mietendeckel mit der Eigentumsfreiheit des Grundgesetzes übereinstimmt. Es gibt viele Argumente die dafür sprechen, es bleibt aber umstritten. Ich bin überzeugt, dass es geht, aber entscheiden muss es das Verfassungsgericht.

Gefühlt schaut die gesamte deutsche Immobilienwirtschaft auf die Hauptstadt. Ist das Berliner Modell mitsamt Mietendeckel und Absenkung auf andere Städte übertragbar?

Grundsätzlich ist es natürlich übertragbar. Wenn die Gesetzgebungskompetenz geklärt ist, können alle Bundesländer es umsetzen. Aber es hängt natürlich von den örtlichen Gegebenheiten ab, ob so etwas sinnvoll ist. Es gibt Gegenden in Deutschland, die haben mit dem Wegzug von Menschen zu kämpfen, die brauchen keine Mietenregulierung. Es gibt sicherlich Städte, in denen der Neubau dem Zuzug hinterherkommt und die deswegen keine Mietenregulierung in dieser Form brauchen. Der Mietendeckel ist keine Ideologie, sondern ein Instrument, das genutzt werden kann, wenn es ein Problem auf dem Wohnungsmarkt gibt.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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