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Inland

Menschenrechtler: Regierung muss Familien von Flüchtlingen ins Land lassen

Die nächste Bundesregierung muss Flüchtlingen erlauben, ihre Familien ins Land zu holen, fordert die Menschenrechtlerin Beate Rudolf – und ist damit auf Linie der SPD. Vorschläge aus der Union in Sachen Asylpolitik hält sie dagegen für „gelinde gesagt irritierend“.
von Paul Starzmann · 06. December 2017
Flüchtlingslager im Irak: Der Familiennachzug darf nicht zum Spielball der Politik werden, fordert das Deutsche Instituts für Menschenrechte.
Flüchtlingslager im Irak: Der Familiennachzug darf nicht zum Spielball der Politik werden, fordert das Deutsche Instituts für Menschenrechte.

Auf dem Podium der Bundespressekonferenz werden CDU und CSU nicht beim Namen genannt. Indirekt gibt es an diesem Mittwochvormittag aber viel Kritik an den migrationspolitischen Ideen der Union. Vor der Hauptstadtpresse sitzt die Jura-Professorin Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), und stellt den Jahresbericht ihrer Organisation vor – es geht um die Situation von Flüchtlingen in der Bundesrepublik und um die Zukunft der deutschen Asylpolitik.

Familienleben ist ein Menschenrecht

Besonders im Fokus des DIMR steht der sogenannte Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiärem Schutz – also Menschen, die zum Beispiel vor einem Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen sind. Auf Druck der Union hatte die große Koalition im März 2016 die Familienzusammenführung für subsidiär Geschützte für zwei Jahre auf Eis gelegt.

Das DIMR kritisiert die damalige Entscheidung. Der Familiennachzug sei ein Menschenrecht, betont Direktorin Beate Rudolf. Das dürfe „nicht zum Spielball der Politik werden.“

SPD-Spitze will Familiennachzug wieder einführen

Die SPD will die Regelung zur Familienzusammenführung nun wieder einführen. Ein intaktes Familienleben sei der Schlüssel zur Integration, sind die Sozialdemokraten sicher. „Deshalb wollen wir die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht verlängern“, heißt es in einem Beschluss des SPD-Vorstands vom vergangenen Montag über die Leitlinien in Bezug auf eine mögliche große Koalition.

Beate Rudolf unterstützt die Position der SPD: „Wir sehen, dass der Familiennachzug die Integration erleichtert“, sagt sie. „Die Aussetzung des Familiennachzugs muss beendet werden.“ Rudolf ist zuversichtlich, dass die nächste Bundesregierung das Aus für den Familiennachzug rückgängig machen werde – „weil alle Staatsgewalt in Deutschland an die Menschenrechte gebunden ist“, wie sie sagt.

CSU nennt „Zahlen ohne belastbare Grundlage“

Die Union jedoch will nichts wissen von einer Wiedereinführung der Familien-Regelung. Die würde das Land überlasten, befürchten CDU und CSU. 750.000 Menschen in Syrien und anderen Krisengebieten warteten aktuell darauf, zu ihren geflohenen Verwandten nach Deutschland zu reisen, hieß es schon während der Jamaika-Verhandlungen aus den Reihen der CSU. „Zahlen ohne belastbare Grundlage“, kritisiert Beate Rudolf die aktuelle Diskussion.

Die Menschenrechtsexpertin lehnt es generell ab, beim Thema Flucht mit konkreten Zahlen zu hantieren. CSU-Chef Horst Seehofer betont immer wieder, dass Deutschland pro Jahr nur maximal 200.000 Migranten aufnehmen könne ohne überfordert zu sein. Beate Rudolf hält dagegen: „Ich bin überzeugt, dass wir in der Debatte wegkommen müssen von Zahlen“. Es müsse wieder der Mensch in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden.

Syrien: „Im gesamten Land herrscht Bürgerkrieg“

Deshalb hält Beate Rudolf nichts vom „atmenden Deckel“, den CDU und CSU fordern – also eine mehr oder weniger flexible Begrenzung der Flüchtlingszahlen. „Das Menschenrecht auf Schutz ist ein Recht, das keine Obergrenze kennt“, sagt sie. „Insofern sehen wir diese Diskussion sehr kritisch.“

Für „gelinde gesagt irritierend“ hält sie auch die Forderung des CSU-Politikers Joachim Herrmann, abgelehnte Asylbewerber nach Syrien abzuschieben. „Ich muss sagen, dass ich diese Diskussion nicht nachvollziehen kann. Im gesamten Land herrscht Bürgerkrieg.“

Rudolf: Deutschland muss glaubwürdig sein

Überall auf der Welt seien die Menschenrechte derzeit unter Druck, betont Beate Rudolf. „Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht selbstverständlich. Sie müssen tagtäglich verteidigt und bekräftigt werden.“ Die Bundesrepublik sollte sich deshalb verstärkt für die Einhaltung der Grundrechte einsetzen, fordert die DIMR-Direktorin – nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland. „Das geht aber nur, wenn Deutschland glaubwürdig ist.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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