Inland

Mehr Vielfalt wagen

von Die Redaktion · 29. Juni 2006
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Von Lars Haferkamp

Auch wenn es kein Personalchef offen zugibt: Arbeitnehmer werden nicht nur nach ihrer Leistung beurteilt. So werden Männer oft Frauen vorgezogen und besser bezahlt. Deutsche werden eher eingestellt als Einwanderer. Schwule und Lesben werden gegenüber ihren heterosexuellen Kollegen immer wieder benachteiligt. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Mit dieser Diskriminierung soll in Deutschland bald Schluss sein. Am 1. August wird das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" in Kraft treten. Betroffene können dann gegen Benachteiligungen klagen. Solche Regelungen gibt es in den USA schon seit 1964. Viele US-Unternehmen reagierten darauf mit einem neuen Management-Konzept. Es heißt "Diversity" - auf Deutsch Vielfalt - und betrachtet die Verschiedenheit der Mitarbeiter als Bereicherung. So sollen Diskriminierungen am Arbeitsplatz verhindert werden. Seit den 90er Jahren praktizieren auch deutsche Unternehmen Diversity.



Heterogene Teams arbeiten besser


So das Softwareunternehmen SAP aus Walldorf bei Heidelberg. SAP ist der weltweit führende Produzent von Unternehmenssoftware. 15 000 Mitarbeiter arbeiten in Deutschland und 36 000 Mitarbeiter aus 100 Nationen weltweit. "Diversity ist nicht nur eine gesellschaftliche Notwendigkeit, sondern auch ein wichtiges Kapital jedes Unternehmens", sagt Carolin Kamenz, Kommunikationsmanagerin bei SAP. "Diversity ist das Bekenntnis zu gelebter Vielfalt, und diese Vielfalt bejahen wir." Die Personalpolitik von SAP setzt auf eine Kultur der Offenheit. Und das nicht ohne Eigennutz: "Personalexperten haben nachgewiesen, dass heterogene Teams bessere Ergebnisse hervorbringen als homogene Gruppen", erklärt Carolin Kamenz. "In der Softwarebranche erleben wir täglich, wie wichtig es ist, ein Problem von möglichst vielen Seiten aus zu betrachten und nach Lösungen zu suchen."

So hat SAP beispielsweise ein Schulungsprogramm zum Thema Kulturkompetenz entwickelt. Darin werden die Mitarbeiter für kulturelle Unterschiede in den Ländern sensibilisiert, in denen sie arbeiten. "Ein weiterer Schwerpunkt unserer Diversity-Maßnahmen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf", so Carolin Kamenz. Davon profitieren vor allem Frauen. Etwa von flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Job-Sharing, Teilzeit und Arbeit von zu Hause. Oder vom örtlichen Kindergarten, der von der Firma finanziell unterstützt wird. Hilfe gibt es auch bei der Suche nach einer Tagesmutter oder einer Au-pair. Kein Wunder, dass der Frauenanteil bei SAP mit 30 Prozent um ein Drittel höher ist als beim Durchschnitt der männerdominierten IT-Branche.

Diversity hat sich bei SAP bewährt. 2005 und 2006 wird das Unternehmen vom Wirtschaftsmagazin "Capital" zu "Deutschlands bestem Arbeitgeber " gekürt. 500 Mitarbeiter wurden zuvor zu ihrem Arbeitgeber anonym befragt, etwa in den Kategorien Fairness, Teamgeist und Respekt.

Auch die Kölner Ford-Werke haben mit Diversity gute Erfahrungen gemacht. Rund 36 000 Mitarbeiter aus 57 Nationen arbeiten in Deutschland für Ford, den zweitgrößten Automobilhersteller der Welt. "Diversity ist für uns ein wichtiges Instrument, mit dem wir allen Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringen und Integration fördern", sagt Bernhard Mattes, Vorstandsvorsitzender der Ford-Werke.

Zentraler Baustein ist die "Betriebsvereinbarung über partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" zwischen Vorstand und Betriebsrat. Darin werden alle Beschäftigten aufgefordert, zu einem Arbeitsklima der "Wertschätzung und Toleranz" beizutragen. "Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat sind sich einig darüber, dass in unserem Unternehmen keiner Person wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung oder sonstiger persönlicher Eigenheiten Nachteile entstehen dürfen." Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot werden mit Sanktionen belegt, "die bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen können".

Wertschätzung zeigt sich in Gleichbehandlung

Ford ist klar, dass Diversity nicht nur die Akzeptanz von Richtlinien bedeutet, sondern auch innere Überzeugung verlangt. Diesem Ziel dient das Projekt Xenos, ein interkultureller Sensibilisierungstraining für die Mitarbeiter, vom Arbeiter bis zur Führungskraft. "Mit dem Xenos-Training erzeugen wir Verständnis füreinander und sensibilisieren, um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen", sagt Ford-Diversity-Managerin Alicia Alvarez. "Zugleich zeigen wir, dass wir unterschiedliche Kulturen wertschätzen und ihre Potentiale nutzen wollen."

Wertschätzung zeigt sich für Minderheiten oft in Gleichbehandlung. "Als eines der ersten Großunternehmen in Deutschland bietet Ford Hinterbliebenen aus gleichgeschlechtlichen Eingetragenen Lebenspartnerschaften seit 2003 dieselbe Betriebsrente, wie sie auch hinterbliebene Partner aus heterosexuellen Ehen bekommen", so Alvarez. Die Gleichstellung gilt ebenso für die Betriebskrankenkasse, Dienstwagen und Vergünstigungen beim Autokauf, sowie bei der Gestaltung von Arbeitszeiten, Dienstreisen und Auslandsentsendungen. 2004 erhielt Ford für sein Diversity-Konzept den Sonderpreis des Wettbewerbs "Deutschlands beste Arbeitgeber".

Widerstand von Union und FDP aus Ideologie

SAP und Ford beweisen, dass Antidiskriminierungspolitik Unternehmen nicht schadet sondern ihnen hilft, ein produktives Arbeitsklima zu schaffen und so den Unternehmenserfolg zu steigern. Die Unternehmen selbst bezeichnen Diversity als Chance, nicht als Belastung. Es wäre im Interesse der Wirtschaft, würden Union und FDP ihren ideologisch motivierten Widerstand gegen das Antidiskriminierungsgesetz endlich aufgeben.

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