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Mehr Lohn, mehr Bildung: So wird die Berufsausbildung verbessert

Die berufliche Bildung ist in Deutschland ein Erfolgsmodell, musste aber trotzdem modernisiert werden, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi. Wie per Gesetz die Auszubildenden nun einen vernünftigen Lohn bekommen und was das mit Wertschätzung zu tun hat, erklärt die Bildungsexpertin im Gespräch.
von Benedikt Dittrich · 5. November 2019

Die duale Ausbildung in Deutschland wird eigentlich immer wieder gelobt. Warum war es überhaupt nötig, daran jetzt per Gesetz etwas zu ändern?

Die Ausbildungswelt ändert sich - und leider nicht immer zum Besten. Deswegen ist es sinnvoll zu prüfen, ob wir reagieren müssen. Denn wir wollen die Attraktivität der Ausbildung verbessern, damit sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung entscheiden. Dafür müssen die Bedingungen stimmen.

Ein Kernelement ist dabei die Bezahlung, die Sie mit der Mindestausbildungsvergütung verbessern wollen. Welche Branchen sind besonders betroffen?

Die Mindestausbildungsvergütung ist für uns ein historischer Meilenstein. Der Wille des Gesetzgebers war es ja schon immer, eine angemessene Ausbildungsvergütung sicherzustellen. Das war leider in einigen Bereichen des Handwerks, vor allem im Osten, nicht mehr der Fall. Da wurden teilweise nur zwischen 250 und 300 Euro gezahlt und das halten wir für alles andere als angemessen.

Natürlich gibt es Kritiker, die meinen es gingen Ausbildungsplätze verloren wegen einer zu hohen Vergütung, weil die Belastung gerade für die kleinen Betriebe zu groß wäre. Die Kritik teile ich nicht, denn eine Ausbildungsvergütung ist eine Wertschätzung der erbrachten Leistung in einem Betrieb. Er oder sie packt ja schon mit an. Deswegen ist es fahrlässig, wenn Unternehmen meinen, sie könnten nach eigenem Gusto ein kleines Taschengeld verteilen, um sich eine billige Arbeitskraft zu sichern. Das geht nicht. Wenn diese Art der Ausbildungsplätze uns verloren gehen würde, verlieren wir nicht wirklich etwas.

Im Grunde also „gutes Geld für gute Arbeit“, auch bei der Ausbildung?

Ja, aber eine Ausbildungsvergütung ist nicht das gleiche wie ein Lohn. Es wird ja berücksichtigt, dass die Person noch nicht voll arbeitet, sonst gäbe es einen Anspruch auf den Mindestlohn und dann bräuchten wir keine Mindestausbildungsvergütung. Der Auszubildende ist aber auch kein Praktikant, sondern leistet einen Beitrag zum Gesamterfolgt, der vergütet sein muss.

515 Euro Mindestvergütung

Insgesamt leiden wir unter einem Fachkräftemangel. Wie man dann auf der einen Seite über mangelnde Bewerber jammern kann und auf der anderen Seite 515 Euro als unzumutbare Belastung bezeichnet, kann ich nicht nachvollziehen.

In vielen Branchen, beispielsweise dem Baugewerbe, fehlen Fachkräfte und Nachwuchs. Warum verbessern dann die Betriebe dann nicht von sich aus die Ausbildungsqualität oder die Bezahlung?

Um fair zu bleiben: Viele Handwerksbetriebe bezahlen ihre Auszubildenden gut. Gerade auch in der Baubranche gibt es gute Tarifverträge. Deswegen ist das nicht das Hauptproblem. Es gibt aber Betriebe, beispielsweise im Friseurhandwerk, da werden die Auszubildenden einfach ausgebeutet: Die fegen den Laden, räumen die Regale ein, führen Terminbücher, spülen Haare – das sind alles Tätigkeiten für den Betrieb. Dafür bekommen sie aber weniger Geld als eine 450-Euro-Kraft. Da mussten wir einen Riegel vorschieben, wie wir es bei der Ausbeutung von Praktikanten auch schon getan haben.

Ist damit der Spruch „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ obsolet?

Das ist ein autoritärer Spruch, der sagt: „Du stehst unter meinen Pantoffeln, hast das zu machen, was ich dir sage und hast keine Rechte.“ Diese Zeiten müssen definitiv vorbei sein. Eine Ausbildung ist eine Aufgabe, die ich übernehme, eine vertragliche Bindung. Das ist gar keine Frage. Aber als Auszubildender habe ich auch Rechte. Es ist ja auch im Interesse des Betriebs, qualifizierte Fachkräfte an sich zu binden. Deswegen ist das duale Ausbildungssystem so erfolgreich. Wir müssen es für beide Seiten attraktiv halten.

Zusätzliches Lehrmaterial müssen die Betriebe jetzt auch für die Auszubildenden bezahlen. Lässt sich das beziffern, welche Kosten da auf die Unternehmen zukommen?

Das lässt sich nicht genau beziffern, es werden aber keine Unsummen sein. Tatsächlich gab es darüber aber immer wieder Streit in den Betrieben. Die Kosten für Werkzeuge hat der Arbeitgeber aber ohnehin schon übernommen. Wir haben jetzt nur dafür gesorgt, dass zusätzliche Fachliteratur, die für die Abschlussprüfung benötigt wird, auch dazugehört. Das sind übrigens keine Schulbücher, die unter die Lernmittelfreiheit der Länder fallen.

„Berufsschule macht man nicht nebenbei“ 

Uns ging es darum, den Lernort Schule zu stärken. Deswegen haben wir auch die Freistellung von der betrieblichen Arbeit an Berufsschultagen und den zusätzlichen freien Tag vor schriftlichen Prüfungen durchgesetzt. Berufsschule ist nicht etwas, was man nebenbei macht, sondern es gehört zur Ausbildung. Das ist ein starkes Signal.

Apropos Prüfungen: Warum mussten die Prüfer nun eigentlich explizit freigestellt werden?

Es gibt Prüfer, die sich für dieses Ehrenamt Urlaub genommen haben. Viele Betriebe haben sie dafür freigestellt, aber das ist eben nicht einheitlich geregelt und deswegen haben wir das jetzt geändert. Wir wollen damit auch dem Mangel an Prüfern im Ausbildungssystem entgegenwirken.

Verhandlungen sind ja immer ein Kompromiss. Welche Baustellen konnten im Bereich Ausbildung jetzt noch nicht abgeräumt werden?

Wir haben unter anderem beschlossen, dass das Bundesinstitut für berufliche Bildung sich mit dem dualen Studium auseinandersetzen muss. Es gibt einen expliziten Auftrag, sich die wirtschaftlichen, sozialen und vertragsrechtlichen Grundlagen für die dual Studierenden anzuschauen und gegebenenfalls Regelungen oder Handlungsempfehlungen zu präsentieren. Im Moment wird leider häufig von Arbeitgebern und Hochschulen in irgendwelchen Klüngelkreisen entschieden, wie ein Studium auszusehen hat. Wir müssen das Qualitätssiegel „dual“ schützen. Das ist der nächste wichtige Schritt.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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