Inland

Mehr Investitionen für Europa

von Vera Rosigkeit · 28. März 2014

Brauchen wir mehr Investitionen in Europa? Wie sollen die finanziert werden? Ist mehr parlamentarische Kontrolle über die Troika notwendig? Die diesjährige Fachtagung des IMK in der Hans-Böckler-Stiftung stand unter dem Motto „Staatsfinanzen im künftigen Europa“.

Europa steckt in der Krise. Vor allem der geforderte Spardruck zur Haushaltssanierung sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Ist die Austeritätspolitik der richtige Weg, um die Staatshaushalte der krisengebeutelten Länder zu sanieren? 

Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung plädiert für einen anderen Weg und erklärt, dass sich eine Staatsverschuldung für Investitionen langfristig auszahlt. „Investitionen in Bildung haben einen hohen Ertrag“, erklärt der Gastgeber der Fachtagung „Staatsfinanzen im künftigen Europa“ am Donnerstag in Berlin. Diese Investitionen würden sich in Ländern wie Griechenland rechnen, da sie sich langfristig in hohen Steuereinnahmen auszahlen. Der Ökonom spricht in diesem Zusammenhang von einer Win-win-Situation.

Carl Christian von Weizsäcker stimmt zu: „Man kann nicht einfach sagen, Schulden machen ist etwas Schlechtes“, sagt der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre, der sich selbst als neoliberal bezeichnet. Und Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance spricht von 14 Prozent Rendite, die bei Bildungsinvestitionen über Löhne und Einkommensteuer zurückfließen.

„Doch wenn das zutrifft, warum ist das Thema Staatsverschuldung dann ein Tabu?“, fragt Moderator Harald Schumann vom Tagesspiegel.

Kurzfristige Interessen kontra langfristigen Renditen

Enderlein sieht einen Grund darin, dass diese Erträge erst bis zu 20 Jahre später erzielt werden. „Sie sind aus Sicht heutiger Regierungen politisch unattraktiv“, erklärt er. Tatsächlich würden im Politikbetrieb kurzfristige Interessen bevorzugt, stimmt Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan zu. Sie plädiere dafür „mit einer organisierten Zivilgesellschaft, die auf Wahlen nicht angewiesen ist, einen Konsens vorzubereiten, der von der Politik übernommen werden kann“.

Der Europaparlamentarier Sven Giegold widerspricht: „Wir werden in Deutschland keine Mehrheit für eine neue öffentliche Staatsverschuldung schaffen“, ist er überzeugt. Grüne und SPD seien im Wahlkampf mit diesen Forderungen „unterwegs gewesen“ und waren nicht mehrheitsfähig. Giegold plädiert deshalb dafür, die Einnahmenseite zu stärken und Reichtum zu besteuern. Die „Ungleichverteilung hat solche Ausmaße angenommen, dass es mehr Chancen gibt, diese Diskussion zu gewinnen“, sagt er. Er empfiehlt, an diesen ökonomischen Stellschrauben zu drehen.

Hier widerspricht von Weizsäcker. Eine Besteuerung würde nur weltweit Sinn machen, sagt er. „Wie will man den reichen griechischen Reeder denn besteuern?“, fragt er. Der würde doch dann in die Schweiz ziehen. 

Gesine Schwan merkt an, dass man die Solidaritätsbereitschaft nicht unterschätzen solle. Es könne kein Fehler sein, „Arbeitslose durch Bildung in Arbeit zu bringen“, erklärt sie. Ihr Vorschlag: „Warum können wir das nicht über Eurobonds machen?“ Die Eurogruppe solle Schulden aufnehmen und gemeinsam in Krisenländer investieren.

Mehr demokratische Strukturen beim Krisenmanagement

Für mehr Investitionen durch Bildungsbonds spricht sich auch Enderlein aus. Diese sollten seiner Meinung nach jedoch nicht durch Schulden finanziert werden, sondern durch höhere Steuern. Zugleich plädiert er dafür, europäische Kontrollinstanzen einzuführen, die die Politik der Troika kontrollieren. Der kurzfristige Spardruck müsse gedrosselt werden, erklärt er und fügt hinzu: „Eine Arbeitslosenquote von 66 Prozent bei jungen Frauen in Spanien darf nicht sein“.

Auch Giegold fordert mehr parlamentarische Kontrolle über die Troika , weil die Verteilung der Lasten so ungerecht ist. Doch Giegold betont auch, dass hinter dieser Politik Regierungen stünden, die gewählt worden seien und ihre Politik auf dem Rücken der Schwächsten machten. Giegold: „Wir sind alle mitverantwortlich für die Politik der Troika und auch dafür, dass Finanzminister Schäuble eine andere Politik machen könnte.“ Europaabgeordnete, fordert Giegold, dürften nicht nur ihr Heimatland im Auge haben.

Schwan gibt zu Bedenken, dass Deutschland mit Angela Merkel eine Kanzlerin habe, die ihre Politik auch nach kurzfristigen politischen Renditen ausrichte und nicht nach der Zukunft Europas.

Somit wird deutlich, dass Europa sich nicht nur in einer politischen und ökonomischen Krise befindet, sondern auch vor großen Herausforderungen steht. „Wir brauchen eine Debatte darüber, welche Möglichkeiten in Europa liegen und welche Vorteile aus einem gemeinsamen Handeln entstehen“, sagt Gustav Horn und fügt hinzu: „Wir müssen uns über die Errungenschaften bewusst werden.“

Klar ist, Europa braucht mehr Demokratie!

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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