Die Junge Union möchte die studentische Selbverwaltung abschaffen. AStA und Studierenparlament seien zu teuer und zu uneffektiv. Dieser Ansatz ist falsch. Statt demokratische Gremien abzuschaffen, sollte lieber ihr Einfluss gestärkt werden.
Am ersten Oktober-Wochenende fand der Deutschlandtag der Jungen Union, der Jugendorganisation von CDU und CSU in Rostock statt. Dort wurde nicht nur der Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder erneut zum Bundesvorsitzenden gewählt – womit er den Beweis der Existenz der „ewigen Jugend“ antritt, denn er ist seit zehn Jahren in dieser Position – nein, dort beschloss die Junge Union auch einstimmig ihr neues Grundsatzprogramm. Und das hat es in sich.
Neuerdings fordert die Junge Union die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft an deutschen Universitäten. Ginge es nach der JU würden nun die StudierendenvertreterInnen in die Wüste geschickt werden. Man kann auch sagen: Die Junge Union möchte die Demokratie an deutschen Universitäten und die Partizipation durch ihre Studierenden abschaffen.
Aus jungsozialistischer und sozialdemokratischer Sicht kann man der CDU-Jugendorganisation nur dazu gratulieren: Wer für die Beschneidung demokratischer Instrumente und für die Aufhebung studentischer Mitbestimmung stimmt, hebt gleichzeitig den Arm für eine Abschaffung der eigenen Organisation.
Aus gesellschaftlicher Sicht ist diese Forderung allerdings stark kritikwürdig, denn wer gegen demokratische Mitbestimmung stimmt, macht sich nicht nur selbst obsolet, sondern die „Herrschaft durch das Volke“ – zumindest in Teilen – gleich mit.
Es kommt ja auch niemand auf die Idee, den Bundestag abzuschaffen
Der CDU/CSU-Nachwuchs argumentiert, dass zu viele Allgemeine Studierendenausschüsse (Asten) finanzielle Mittel verschwendeten und sich gleichzeitig zu wenig für studentische Belange einsetzten. Außerdem sei die Beteiligung an den Wahlen zum Studierendenparlament sowieso übersehbar gering. Im gleichen Zug mit ihrer Abschaffung fordert die Junge Union, dass das Semesterticket nicht mehr solidarisch von allen Studierenden mit bezahlt wird, sondern nur noch von denen, die es selbst beantragen. Die reichen Studierenden, die mit einem geschenkten Porsche zur Uni fahren, dürften sich also freuen. Alle anderen eher nicht.
Sicher ist eine Beteiligung von unter zehn Prozent an den Wahlen zur Studierendenvertretung viel zu wenig. Da hat die JU Recht. Allerdings zieht sie komplett die falschen Schlüsse. Man kann die Wahlbeteiligung bei Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europäischer Parlamentswahl ebenfalls als „zu gering“ empfinden. Da ist viel Luft nach oben. Auch der politische Umgang mit Steuergeldern scheint ab und an „verschwenderisch“ zu sein. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, die Stadträte, Landtage, den Bundestag und das Europäische Parlament abzuschaffen.
Die Antwort lautet: „Mehr Demokratie wagen!“
Im Gegenteil – die richtige Reaktion kann nur lauten: „Mehr Demokratie wagen!“. Es muss Aufgabe der Politik sein, Wege zu echter Teilhabe zu schaffen. Demokratien werden allerdings durch nur scheinbare Möglichkeiten zur Partizipation geschwächt. Klar gesagt: Wenn Studierendenparlamente keine ernsthaften Mitbestimmungsrechte erhalten, gehen als logische Konsequenz auch wenige Studierende diese „Autos ohne Motoren“ wählen – wieso auch, wenn es aus ihrer Sicht sowieso nichts bringt?
Richtig ist, dass sich nur einbringen wird, wer sich ernst genommen fühlt. Und nur durch frühe demokratische Praxis kann sich ein demokratischer Staat langfristig seiner Legitimation sicher sein und überhaupt überleben. Nicht zuletzt müssen die Beteiligungsstrukturen von Jugendlichen entschieden gestärkt werden SchülerInnenvertretungen, Jugendauszubildendenvertretungen, Studierendenparlamente müssen also endlich mit mehr Rechten ausgestattet und die so genannte Drittelparität flächendeckend eingeführt werden: Die jeweiligen Gremien müssen zu drei gleichen Teilen von den verschiedenen Parteien besetzt werden, z.B. in Schulkonferenzen, die aus einem Teil Lehrerinnen und Lehrern, einem Teil Eltern und einem gleichen Teil Schülerinnen und Schülern bestehen sollten.
Demokratie bedeutet nicht zuletzt auch persönliche Freiheit. Dass dies alles der Jungen Union offenbar kein zu erhaltender Wert zu sein scheint, schockiert.
Taner Ünalgan war bis zum Sommer 2012 Bundeskoordinator der Juso-SchülerInnen.
Taner Ünalgan war bis zum Sommer 2012 Bundeskoordinator der Juso-SchülerInnen