Anonymisierte Bewerbungen können vor Diskriminierung schützen. Wer Foto, Alter und Familienstand weglasse, habe größere Chancen aufgrund der Qualifikation eingeladen zu werden. Zu diesem – nicht repräsentativen – Ergebnis kommt das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).
Astrid Braungart hat bereits davon profitiert. Die 46-Jährige Münchnerin ist eine von 246 Bewerbern, die über das anonymisierte Bewerbungsverfahren einen neuen Job gefunden hat. Dabei fehlten in ihren Bewerbungsunterlagen unter anderem Angaben zum Namen, Alter, Geschlecht und Familienstand. Von der Wirkung des Verfahren ist Braungart überzeugt: Ich habe den Job schließlich bekommen“, freut sich die Mutter einer siebenjährigen Tochter, inzwischen Marketingleiterin beim Geschenke-Dienstleister MYDAYS. „Ich glaube, ich wurde oft aufgrund meines Alters nicht zu Gesprächen eingeladen “, erinnert sie sich. „Und in Bewerbungsgesprächen bin ich immer wieder gefragt worden, wie ich die Kinderbetreuung organisiere. Mein Mann wurde das nie gefragt.“
Auch Steffen Müller gelangte an seinen Posten als Sachbearbeiter für Grünflächen der Stadt Celle über ein anonymisiertes Verfahren. Nach 25 Jahren Metzgertätigkeit musste er aufgrund eines Arbeitsunfalls beruflich umsatteln. Ein halbes Jahr war der 47-Jährige nach seiner Umschulung zum Verwaltungsfachangestellten auf Arbeitssuche. Er findet: „Das Verfahren ist fairer, weil auch ältere Bewerber dadurch die Möglichkeit haben eingeladen zu werden.“
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt
Ob unbewusst oder nicht, Vorurteile beeinflussen nach wie vor das Auswahlverfahren von Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt. „Ein Teil der Arbeitssuchenden macht die Erfahrung, dass der Arbeitsmarkt nicht so offen ist, wie er sein sollte“, berichtet Christine Lüders. Eine Ursache dafür sieht die Leiterin der ADS im Bewerbungsverfahren selbst. „International ist ein anonymisiertes Verfahren bereits gang und gäbe. In Deutschland gibt man dagegen sehr viel von sich Preis“, sagt sie.
Im November 2010 begann die ADS deshalb in Kooperation mit acht Teilnehmern das Pilotprojekt „Anonymisiertes Bewerbungsverfahren“. Fünf Unternehmen und drei öffentliche Auftraggeber haben sich bis Dezember 2011 bei ihren Auswahlverfahren über die Schulter schauen lassen. Im Zentrum der Untersuchung: Wie lassen sich anonymisierte Bewerbungsverfahren umsetzen? Und welche Effekte haben sie? Das Ergebnis: Für Bewerber ist der Aufwand aufgrund standardisierter Formulare geringer als im klassischen Verfahren. Das Weglassen des Fotos wurde vor allem auf Seite der teilnehmenden Unternehmen positiv gewertet. Denn Fotos würden häufig Emotionen auslösen und von der objektiven Qualifikation des Bewerbers ablenken, wie Lüders sagt.
Ein positives Signal
Für eine repräsentative Studie reichen die Ergebnisse des Pilotprojekts zwar nicht aus. Doch es liefert zahlreiche Anzeichen dafür, dass gerade Frauen und Bewerber mit Migrationshintergrund von einem solchen Verfahren besonders profitieren könnten. Beide Gruppen wurden im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren tendenziell häufiger eingeladen. Ob das Verfahren auch älteren Arbeitsuchenden bessere Chancen ermöglicht, konnte aus dem Projekt nicht abgeleitet werden. Dazu sei die Teilnehmerzahl älterer Bewerber zu gering gewesen, wie Ulf Rinne vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) berichtet. Das Institut war für die Auswertung der Ergebnisse in das Projekt involviert.
ADS-Leiterin Lüders wertet die Ergebnisse vor allem als ein positives Signal. „Wir haben damit einen Ball ins Rollen gebracht. Denn unser Pilotprojekt hat gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen den Fokus auf die Qualifikation der Bewerbenden lenken und dabei gut umsetzbar sind“, ist die Leiterin überzeugt.
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.