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Mecklenburg-Vorpommern: Die Digitalisierung kann Leben retten

Die Digitalisierung kann nicht nur das Leben der Menschen erleichtern, sondern es im Zweifelsfall auch retten. Mecklenburg-Vorpommerns Digitalminister Christian Pegel über Drohnen, die Blutkonserven liefern und die Frage, warum das Internet nicht nur „marktgetrieben“ ausgebaut werden sollte
von Kai Doering · 26. März 2021
Drohnen, die Medikamente ausliefern, klingt wie Zukunftsmusik. In Mecklenburg-Vorpommern wird es bereits erprobt.
Drohnen, die Medikamente ausliefern, klingt wie Zukunftsmusik. In Mecklenburg-Vorpommern wird es bereits erprobt.

Wie wichtig die Digitalisierung ist, wird seit Ausbruch der Corona-Pandemie in vielen Bereichen betont. Welche Rolle spielt sie für ein Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern?

Gerade in einem so dünn besiedelten Flächenland wie unserem ist es besonders wichtig, die Digitalisierung voranzutreiben. Sie kann insbesondere den Menschen, die auf dem Land wohnen, viele Wege und Zeit ersparen. Arztbesuch online und Verwaltungsdienstleistungen wie etwa das Beantragen von Ausweisen und Genehmigungen z.B. über unser Serviceportal ersparen die Besuche beim weiter entfernten Arzt oder im Rathaus zu zudem oft eingeschränkten Öffnungszeiten.

Gibt es weitere Bereiche, in denen die Digitalisierung den Menschen im Land nutzt?

Gerade im Bereich der medizinischen Notfallversorgung kann die Digitalisierung auch lebensrettende Dienste leisten, wenn zum Beispiel wie in Greifswald und Umgebung in einem Notfall auf dem Land die Rettungssanitäter bereits beim Eintreffen beim Patienten online Kontakt zum Telenotarzt etwa am weiter entfernten Spezialklinikum aufnehmen, Befunde übermitteln und ärztliche Anweisungen erhalten können, die sonst eventuell erst beim Eintreffen des Notarztes vor Ort oder in der Klinik greifen würden. Die Landesregierung unterstützt in diesem Bereich moderne Ansätze der Notfallmedizin eines Verbundprojekts der Universitätsmedizin Greifswald und der Hochschule Neubrandenburg mit rund 300.000 Euro, in der unbemannte Drohnentechnologie für den Transport von z.B. Blutkonserven, Defibrillatoren und Laborproben über größere ländliche Distanzen erprobt werden.

Hat die Corona-Pandemie den Blick auf die Digitalisierung verändert?

Ich bin überzeugt – und die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie belegen dies – dass gerade der ländliche Raum in Mecklenburg-Vorpommern wieder als Wohnort für z.B. Städter interessant wird, wenn sie von dort dank schnellem Internet überall auf der Welt arbeiten und zugleich die zahlreichen Vorzüge des Landlebens genießen können. Ich kenne mehrere Fälle, in denen z.B. Berliner während der Pandemie im Home-Office an ihrem Zweitwohnsitz in M-V gearbeitet und festgestellt haben, dass dies für sie ein dauerhaftes Modell sein soll, so dass sie ihren Lebensmittelpunkt nach M-V verlegen. Kurz: Die Digitalisierung ist auch eine große Chance für eine Renaissance des ländlichen Raums als attraktiver und für Familien liebenswerter Wohnort – quasi Wohnen und Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Umso mehr, wenn ihnen die bisherigen Nachteile wie etwa weite Wege zum Arzt oder zur Verwaltung dank digitaler Ideen abgenommen werden.

Die Ansiedlung von Unternehmen hingegen scheitert noch viel zu häufig am lahmenden Ausbau des schnellen Internets. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung hier?

Mecklenburg-Vorpommern hat sich dank eines konzertierten Vorgehens von Landkreisen und Landesregierung sehr erfolgreich um die Mittel aus dem Breitbandausbauprogramm des Bundes beworben. Mit mehr als 800 Millionen Euro vom Bund und dank der Kofinanzierung des Land und dem kommunalen Eigenanteil stehen insgesamt rund 1,45 Milliarden Euro dafür zur Verfügung, um unser Bundesland nahezu flächendeckend mit schnellem Internet zu versorgen. Der Breitbandausbau schreitet immer schneller voran. Ich gehe davon aus, dass 2025 die Mittel verbaut sind und vor allem der bislang unterversorgte ländliche Raum weitgehend ans Glasfasernetz angeschlossen ist. Alle diese Projekte sind im Übrigen reine Glasfaserprojekte, also gigabitfähig. Wir überspringen damit alle Zwischenstufen und schließen im ländlichen Raum sofort zur Zukunftstechnologie auf.

Gilt das auch für das mobile Internet?

Mindestens genauso wichtig ist eine gut und vor allem flächendeckend funktionierende Mobilfunkabdeckung. Der Markt, auf den wir dabei in Deutschland leider auch im Mobilfunkbereich setzen, richtet es gerade im ländlichen Raum nicht allein. Wir haben Funklöcher gerade in den dünner besiedelten Bereichen – also dort, wo es sich weniger lohnt. Wenn dann eine Bundesregierung und eine Bundesnetzagentur die Mobilfunkfrequenzen, also nur das Recht, überhaupt im deutschen Luftraum Mobilfunkwellen senden zu dürfen, immer wieder für Milliardenbeträge versteigern, fehlt den Unternehmen noch mehr Geld für Investitionen in die dringend in der Fläche benötigte Infrastruktur. Da wir sehen, dass das Konzept in Deutschland momentan ländliche Räume benachteiligt, haben wir eine landeseigene Mobilfunkmasten-Gesellschaft gegründet, mit der wir die größten Funklöcher im Land an circa 230 Standorten durch eigenen Mastenbau schließen wollen. Den Mobilfunkanbietern bieten wir diese dann an, um von dort zu senden. Damit hoffen wir, dass wir Wirtschaft, Tourismus und den Menschen auch via Mobilfunk möglichst gutes Netz im Land anbieten können, um digital im Netz aktiv sein zu können.

Wie wird dabei verhindert, dass die Städte mit schnellem Internet die ländlichen Regionen abhängen?

Aufgrund des beschriebenen Erfolgs beim Bundesförderprogramm treibt mich eher die Sorge um, dass nach dessen Umsetzung eher die Städte im Land abgehängt werden. Insbesondere die, die über der Mindestversorgungschwelle von 30 Megabit pro Sekunde liegen, bis zu der das Bundesprogramm bislang nur greift. Das wird dazu führen, dass in M-V auf dem Land 100 Mbit pro Sekunde und mehr die Regel sind, während in manchen unserer Städte bzw. in Teilen davon nur 40 oder 50 Mbit pro Sekunde zur Verfügung stehen. Hier haben wir uns stets beim Bund dafür eingesetzt, die Breitbandausbauförderung ohne Aufgreifschwellen fortzuführen, was der Bund mit einem überarbeiteten Förderprogramm jetzt umsetzen will. Das neue Programm soll noch im März 2021 starten und bringt Mecklenburg-Vorpommern dem Ziel der flächendeckenden Gigabitversorgung ein weiteres Stück näher, denn wir wollen auch hier wieder mit vereinten Kräften möglichst für alle Regionen, in denen das Förderprogramm angewendet werden kann, Anträge stellen.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich dabei von der Bundesregierung?

Wir wünschen uns zum einen, dass wir sowohl Festnetz-Breitband als auch Mobilfunknetze als Infrastruktur verstehen, die nicht nur marktgetrieben gebaut und ausgebaut werden können. Das geht nur schief, weil es dann eine starke Orientierung auf wirtschaftlich lukrative Bereiche gibt. Der ländliche Raum droht dabei auf der Strecke zu bleiben. Wir wünschen uns außerdem, wie breits beschrieben, die Ausweitung des Bundesförderprogramms für den Breitbandausbau und Verbesserungen im Sinne der Mobilfunknutzer im Telekommunikationsgesetz.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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