Martin Schulz: „Es geht ein Ruck durch die SPD und das Land.“
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Ihre Nominierung als Kanzlerkandidat kam für viele überraschend. Wie überrascht waren Sie selbst?
Ich habe schon seit Monaten viel mit Sigmar Gabriel, auch mit Hannelore Kraft und anderen in der SPD darüber gesprochen, wie wir bei der Bundestagswahl die besten Chancen haben. Sigmar Gabriel hat als Parteivorsitzender eine unglaublich schwere Entscheidung getroffen. Dass er aus Überzeugung, dass es für unser Land und unsere Partei besser ist, selbstlos auf das Amt des Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten verzichtet, verdient Respekt und Bewunderung. Dass Sigmar Gabriel mein Freund ist und wir uns nicht haben auseinandertreiben lassen, obwohl das mancher versucht hat, darüber bin ich sehr froh und dankbar.
Die Stimmung innerhalb der SPD hat sich innerhalb kürzester Zeit gewandelt. Wie bewerten Sie das?
Ich bin sehr gerührt und dankbar für den riesigen Zuspruch. Wir haben tausende neue Genossinnen und Genossen hinzugewonnen, das ist toll! Die SPD ist wieder die mitgliederstärkste Partei in Deutschland vor der CDU. Mein Eindruck ist, es geht ein Ruck durch die SPD, aber auch ein Ruck durch das Land.
Nach Ihrer Nominierung hat die SPD in den Umfrangen sprunghaft zugelegt. Trotzdem liegt sie noch deutlich hinter der Union. Wie wollen Sie das in den kommenden Monaten ändern?
Es ist schön zu sehen, dass auch in den Umfragen eine neue Hoffnung für die SPD spürbar wird. Wir werden die Wahlen in diesem Jahr wieder richtig spannend machen. Ich reise in diesen Wochen viel durchs Land, um die Menschen in ihrem Lebensalltag zu treffen und mit ihnen darüber zu diskutieren, was ihre Vorstellungen für eine bessere, eine gerechtere Zukunft sind. Ich höre viel zu. Ich glaube, wenn die Leute uns zutrauen, dass wir wissen, worum es ihnen geht und das in den Mittelpunkt stellen, dann werden wir gewinnen.
Sie haben den anderen Parteien ein „Fairnessabkommen“ für den Wahlkampf angeboten. Wie soll das aussehen?
Ich will eines klar sagen: Ich scheue nicht den Konflikt. Im Wahlkampf müssen die Unterschiede zwischen den Parteien und auch den Kandidaten herausgearbeitet werden. Aber klar ist auch: Die SPD und ich werden in diesem Wahlkampf fair mit den politischen Wettbewerbern umgehen. Politischer Meinungsstreit darf nicht zu Hass oder zu Häme führen. Was wir im vergangenen Jahr im US-Wahlkampf erlebt haben, hat mich erschreckt. Das darf uns in Deutschland nicht passieren. Deshalb habe ich die anderen Parteien eingeladen, sich einem Fairnessabkommen anzuschließen, das auch die Nichtnutzung von „Social Bots“ einschließt, die die öffentliche Meinung manipulieren und über einen gemeinsamen Umgang mit falschen Meldungen im Internet nachzudenken.
Was wäre Ihre Wunschkoalition nach der Bundestagswahl?
Die SPD will stärkste Partei werden. Dafür kämpfen wir. Wer dann mit uns regieren will, muss auf uns zukommen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.