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Martin Schulz in Dortmund: Was eine gute Kita ausmacht

Gesundes Essen und schöne Räume sind wichtig für Kitas. Entscheidend für die Qualität aber sind motivierte Erzieherinnen und Erzieher. Davon konnte sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Mittwoch ein Bild in Dortmund machen.
von Silke Hoock · 6. September 2017
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„Hallo, hallo“. Gerade haben sie für ihn gesungen. Bei der Zugabe hat er selbst mit eingestimmt, doch dann muss er eine unter Kindern übliche Frage beantworten: „Wer bist du?“ SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz lacht herzlich und antwortet. An diesem Morgen ist er Gast im AWO-Familienzentrum Burgholzstraße in der Dortmunder Nordstadt. Hier leben viele Menschen in prekären Verhältnissen. Hier leben Menschen aus 174 Nationen.

Wir brauchen die nationale Bildungsallianz mehr denn je

In diesem Stadtteil also informiert sich der Bewerber auf das Kanzleramt, welche herausragende Arbeit Erzieherinnen und Erzieher leisten. Martin Schulz erfährt, dass Integration, „wenn wir sie schaffen wollen“, kostet – aber viel zu häufig die nötige finanzielle Ausstattung fehlt. Sein Fazit am Ende: „Wir brauchen eine nationale Bildungsallianz mehr denn je. Kitas, Schulen, Unis brauchen mehr Geld.“ Begleitet wird der Kanzlerkandidat bei seinem Besuch von den beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Sabine Poschmann und Marco Bülow, die ebenso für mehr soziale Gerechtigkeit stehen.

In der AWO-Einrichtung taucht Schulz zunächst ein in die Kita-Welt. Bunte Räume, Kinder auf Spielzeugteppichen, Mädchen und Jungen beim Schnippeln von Gemüse für das Mittagessen. Schulz sucht das Gespräch mit den Kleinen, die mehrheitlich keine deutschen Eltern haben und den Mann im grauen Anzug dennoch verstehen.

Zu wenig Personal, um Integrationsarbeit zu leisten

Giulietta berichtet ihm, während sie ein kleines Schweinchen in ein Puzzle einfügt, dass sie noch niemals einen echten Traktor gesehen habe. „Mama und Papa sollen mit dir mal einen Ausflug machen“, rät Schulz, selbst Vater zweier längst erwachsener Kinder. Ob sie denn von der Paprika, die sie gerade bearbeiten, auch mal genascht hätten, will ihm der Nachwuchs aber nicht verraten. Viele Kinder, die Jahja, Arslan oder Avsin heißen, schauen den unbekannten Mann mit der sonoren Stimme einfach nur mit großen Augen an.

„Wir wollen, dass die Kinder sich hier sicher fühlen und glücklich sind“, sagt Christa Schäfer, Leiterin dieser AWO-Kita. Sie weist darauf hin, dass viele Kinder Kriegs- und Fluchterfahrung hätten. Und sie weist auch darauf hin, dass ihre Kita schlichtweg zu wenig Personal hat, um Integrationsarbeit leisten zu können. „Wir müssen uns nicht nur um die Kinder, sondern meistens auch um Eltern kümmern, die uns nicht verstehen“, beschreibt sie die Problematik.

Viele Erzieher geben entnervt auf

Besondere Förderbedarfe versuche man auch mit Therapieangeboten und Netzwerkarbeit mit Schulen und Therapeuten auszugleichen, aber es mangele an allem. Projektbezogene Förderung sei keine Lösung, weil sie nie kontinuierlich sei, irgendwann aufhöre und dann fehle. „Wir haben zwar einen festen Personalstamm. Aber viele Erzieher gehen irgendwann entnervt, weil sie fürchten, diese viele anspruchsvolle Arbeit einfach nicht mehr bewältigen zu können“, zeigt Schäfer das Dilemma auf – und stößt damit auf die offenen Ohren des Kanzlerkandidaten. Denn auch die SPD hat längst begriffen, dass gesundes Essen, schöne Räume zum Spielen und Lernen zwar wichtig sind. Ein guter Personalschlüssel aber wohl entscheidender ist für die Qualität der Arbeit in den Kindertagesstätten.

„Wir verharren in Strukturen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Wir haben enorm wachsende Bedarfe, doch der Personalschlüssel stimmt nicht mehr. Wir brauchen eine Aufwertung der Berufe in der Erziehung“, erklärte Schulz. Er fordert schon länger die Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern, damit der Bund sich auch an den Kosten für Bildungs- und Erziehungseinrichtungen beteiligen könne. Haushaltsüberschüsse in Milliardenhöhe werde die SPD niemals in die Aufrüstung, wohl aber in Bildung und Erziehung stecken, betont er auch in Dormund. Schulz spricht sich stattdessen für eine bedarfsgerechte spezifische Förderung aus und gegen eine Verteilen von Geld nach dem Gießkannenprinzip.

Nicht die Kinder machen Probleme, sondern die Erwachsenen

Auch der „Gastgeber“, der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow plädiert für die Aufhebung des Kooperationsverbotes. Der Bund müsse zudem Sozialarbeit in Kindertageseinrichtungen finanzieren. Am Ende des laut Schulz „emotionalen und sehr bewegenden Besuches“ stellt der SPD-Parteivorsitzende fest: „Es sind ja nicht die Kinder, die die Probleme machen. Es sind wir, die Erwachsenen.“

Autor*in
Silke Hoock

ist freie Journalistin im Ruhrgebiet.

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