Martin Dulig: „Wir wollen eine Koalition auf Augenhöhe“
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Bei der Landtagswahl hat die SPD nur 7,7 Prozent erhalten. Mit einer Woche Abstand: Woran hat es gelegen?
Die Frage jetzt umfangreich zu beantworten, ist viel zu früh. Wir hatten schwierige Ausgangsbedingungen. Einerseits sind wir in der Polarisierung zwischen AfD und CDU zerrieben worden. Viele haben ihre Stimme am Wahltag aus taktischen Gründen doch lieber der CDU gegeben, die sonst SPD oder eine andere Partei gewählt hätten. Hinzu kam noch, dass wir als Bundes-SPD nicht den besten Eindruck hinterlassen haben. Wir müssen aber natürlich auch darauf schauen, was wir in den vergangenen Jahren und auch im Wahlkampf hätten besser machen können. Eine umfangreiche Analyse wird noch folgen.
Sie setzen bereits seit mehreren Jahren auf das direkte Gespräch mit den Bürgern, etwa am Küchentisch. Werden Sie diesen Kurs verändern?
Nein. Ich habe die Küchentischtour ins Leben gerufen, weil ich den Anspruch habe, mein Ohr immer nah an den Menschen zu haben. Das Anliegen der Küchentischtour ist es, immer, also auch abseits von Wahlkämpfen, im Gespräch mit den Menschen zu bleiben. Denn sie wissen am besten, wo vor Ort der Schuh drückt. Ich sage nicht umsonst: Meine besten Berater sitzen am Küchentisch. Die Küchentischtour wird fortgesetzt. Das ist mir ein persönliches Herzensanliegen. Dabei wird es bleiben.
In Sachsen stehen die Zeichen nun auf „Kenia“ also einer Koalition aus CDU, Grünen und SPD. Was sind Ihre Anforderungen an solch ein Bündnis?
Klar ist, wir wollen eine Koalition auf Augenhöhe und keine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners. Sachsen ist ein tolles Land mit tollen Menschen. Ich sehe hier so viel Potenzial. Wir brauchen für Sachsen deshalb eine Fortschrittskoalition, die Innovation, Nachhaltigkeit und gute Arbeit zusammenbringt. Mein Leitmotiv für die Verhandlungen ist der Respekt vor dem Geleisteten. Eine Koalition muss deshalb bei allen Veränderungsprozessen soziale Gerechtigkeit mit höheren Löhnen und Renten in den Fokus stellen. Aber machen wir uns nichts vor: Es werden schwierige Verhandlungen.
Vor der Wahl haben Sie gesagt: Keine Koalition mit der SPD ohne die Gemeinschaftsschule. Bleibt es dabei?
Der Volksantrag zur Gemeinschaftsschule ist ein kluger Gesetzentwurf, mit dem sich der nächste Landtag in jedem Fall befassen muss. Gemeinsam mit Vereinen, Gewerkschaften, Initiativen und anderen Parteien haben wir über 50.000 Unterschriften gesammelt. Die Gemeinschaftsschule und die Landesverkehrsgesellschaft sind unsere zwei Herzensprojekte. Wir bleiben dabei – wer mit der SPD regieren will, muss Ja zum längeren gemeinsamen Lernen sagen.
Kritiker sagen, eine Kenia-Koalition würde die AfD nur weiter stärken. Teilen Sie die Sorge?
Wie soll denn die Alternative zu einer Koalition aus CDU, SPD und Grüne aussehen? Eine CDU-geführte Minderheitenregierung unter Tolerierung der AfD? Das hat Sachsen nicht verdient. Sachsen benötigt stabile demokratische Verhältnisse. Und diese können wir mit der sogenannten Kenia-Koalition herstellen. Dazu gehört aber auch, dass alle Verhandlungspartner sich auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen, sich nicht – nur aus Prinzip – mit roten Linien überziehen und sich so selbst ausbremsen. Was wir brauchen, ist ein nach vorn gerichteter, zuversichtlicher Blick in die Zukunft mit Partnern, die die Menschen in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.