Inland

Marburger Bund läßt streiken

von Karsten Wiedemann · 26. Juni 2006
placeholder

Der Arbeitskampf der Ärzte an kommunalen Kliniken könnte weit größere Folgen haben, als der vor kurzem beendete Streik der Uniklinikärzte. Wurden dabei nur rund 25 Unikliniken bestreikt, sind diesmal 700 Kliniken betroffen. Knapp 85 Prozent aller öffentlichen Betten stehen in kommunalen Kliniken. Dort arbeiten 70 000 Ärzte, von denen rund 55 000 beim Marburger Bund (MB) organisiert sind.

Die Ärztegewerkschaft kündigte bereits an, dass sich Patienten auf "Engpässe bei der medizinischen Versorgung" einstellen müssten. Nicht lebensnotwendige Operationen würden verschoben.

Der Marburger Bund will mehr Lohn und bessere Arbeitszeiten für die Ärzte an kommunalen Kliniken. Tarifgespräche mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) waren Anfang Juni gescheitert. Den seit letzten Oktober gültigen Tarifvertrag für die Beschäftigen des öffentlichen Dienstes (TVöD) lehnt die Ärztegewerkschaft ab. Sie fordert eigene Tarifverträge für Ärzte an öffentlichen Kliniken. An den Unikliniken konnte sie sich damit nach dreimonatigem durchsetzen.

"Dieser Streik ist ein Befreiungsschlag der Ärzte, die überlange Arbeitszeiten, zu viel Bürokratie, kaum Freizeit, unbezahlte Überstunden und zu geringes Gehalt nicht länger akzeptieren wollen", sagte der MB-Chef Frank Ulrich Montgomery.

Kommunale Kliniken vor dem Aus?

Der VKA kritisierte den neuen Ärztestreik. "Es sind die Patienten, die die Leidtragenden des Streiks sein werden und damit diejenigen, die in besonderer Not sind und dafür über ihre Krankenkassenbeiträge die Ärzte finanzieren", sagte VKA-Verhandlungsführer Otto Foit. Mit ihrer Forderung nach 30 Prozent mehr Lohn ließe die Gewerkschaft zudem jeglichen Realitätssinn vermissen.

Kritik kam auch vom Deutschen Städtetag. Die angedrohten "Kampfmaßnahmen" seien "durch nichts gerechtfertigt", so Hauptgeschäftsführer Stephan Articus. Viele kommunale Kliniken schrieben bereits heute rote Zahlen. Sollte sich der Marburger Bund durchsetzen, drohe ihnen das Aus. Auch der Vorsitzende des Interessenverbandes der Kommunalen Krankenhäuser, Hansjörg Hermes, rechnet damit, dass Städte und Gemeinden weitere Kliniken privatisieren, sollten die Personalkosten weiter steigen.

Zunächst keine Streiks in Berlin



In größeren Städten wie Hamburg, Berlin und Bremen wird zunächst nicht gestreikt. Dort gelten gesonderte Tarifverträge für die großen Klinikverbünde. So hat der Marburger Bund in Berlin zwar den Tarifvertrag mit der Krankenhausgesellschaft Vivantes gekündigt, bis zum 15.September gilt aber eine Friedenspflicht.

Karsten Wiedemann

Quellen: Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, www.vka.de, www.marburger-bund.de, www.staedtetag.de

Autor*in
Karsten Wiedemann

Redakteur bei vorwaerts.de bis September 2009, jetzt Redakteur bei Neue Energie, dem Magazin des Bundesverbands für Windenergie

0 Kommentare
Noch keine Kommentare