Manfred Stolpe nach langer Krankheit verstorben
Dirk Bleicker
Der ehemalige SPD-Bundesminister und erster Ministerpräsident von Brandenburg nach der Wende, Manfred Stolpe, ist gestorben. Die Staatskanzlei Brandenburg meldete den Tod von Stolpe am Montag. Er starb im Alter von 83 Jahren nach langer, schwerer Krankheit, bereits in der Nacht zu Sonntag sei er friedlich eingeschlafen, hieß es.
Dietmar Woidke erschüttert über Stolpes Tod
Stolpe hatte 1990 das Amt des Ministerpräsidenten in Brandenburg übernommen. Der jetzige SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigt sich erschüttert über den Tod seines Vorgängers und Genossen. Für ihn sei er der Vater des modernen Brandenburgs gewesen, erklärt er am Montag: "Dies ist ein Tag tiefer Trauer. Wir nehmen Abschied von einem großen Mann, der unser junges Land geprägt hat wie niemand sonst."
Stolpe habe die Liebe zu Brandenburg in seinem Herzen getragen, so Woidke, schon lange bevor Brandenburg 1990 gegründet worden war. "Er gab dem Land Stimme und Gesicht. Im besten Sinne des Wortes war Manfred Stolpe Landesvater und Mutmacher in einem", erklärt der jetzige Ministerpräsident. Die Brandenburger SPD bezeichnete ihn in einer Mitteilung als Brückenbauer und Versöhner. "Er wird uns unvergessen bleiben", so Woidke.
Dulig: Ich werde ihn vermissen
Auch Martin Dulig, Vorsitzender der SPD Sachsen, zeigt sich betroffen vom Tod des ostdeutschen Politikers: "Er war ein herausragender Politiker, engagierter Sozialdemokrat und ein Mensch mit Herz und Seele", lobt Dulig Stolpe in sozialen Medien, "Ich werde ihn vermissen!" SPD-Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans zeigte sich ebenfalls betroffen, erinnert sich an Begegnungen mit ihm auf Landespolitischer Ebene in den neunziger Jahren: "Mit ihm verlieren Deutschland, Brandenburg und die Sozialdemokratie eine prägende Persönlichkeit. Habe seine integrative Kraft besonders während der 90er in der engen Zusammenarbeit BB-NRW besonders nah erleben können", lobt er den Brandenburger Genossen bei Twitter.
Sein Lebenswerk wird auch über Parteigrenzen hinweg gelobt. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble würdigt den Sozialdemokraten posthum als kirchlichen Chefdiplomat und Mittler zwischen Ost und West, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt den Brandenburger in einem Kondolenzschreiben als "überragende politische Persönlichkeit". Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock verweist auf das Bündnis "Tolerantes Brandenburg", dass dem Wirken Stolpes zu verdanken sei, "damals wie heute mehr als notwendig." Das Bundesland wäre ohne Manfred Stolpe ein anderes. Bundeskanzlerin Angela Merkel hob ebenfalls sein landespolitische Engagement hervor: "Manfred Stolpe trug maßgeblich zum erfolgreichen Aufbau demokratischer Strukturen und Prozesse bei. Er war über viele Jahre Landesvater, Gesicht und Stimme Brandenburgs."
Jurist, Christ, Sozialdemokrat
Mit dem Tod von Manfred Stolpe verliert Deutschland einen ostdeutschen Sozialdemokraten, der schon lange vor dem Mauerfall aktiver Politiker gewesen war. Stolpe wurde 1936 in Stettin geboren, studierte in Greifswald Rechtswissenschaften. Nach seinem Diplom war er in wechselnden Positionen für die evangelische Kirche in der DDR aktiv, setzte sich für zahlreiche Menschen ein, die den sozialistischen Staat verlassen wollten, setzte seine Kontakte zur Staatssicherheit dafür ein, dass Menschen aus dem Gefängnis entlassen wurden.
Das kirchliche Engagement machte ihn auch in Westdeutschland bekannt - die Nähe zum Sicherheitsapparat des Regimes war allerdings bis zuletzt umstritten. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitender der evanglischen Kirche in Deutschland, lobte gleichzeitig, dass Stolpe auch in schwierigen Situtionen gewissenhafte Entscheidungen getroffen habe: „In seiner Verantwortung als Funktionsträger einer christlichen Kirche in der DDR ist Stolpe immer wieder auch in zwiespältige Situationen geführt worden, die ihn auch als Christ herausgefordert haben." Seine Verdienste seien unvergessen, so der Landesbischof.
Er gehörte denn auch nach der friedlichen Revolution zu den prägenden Gesichtern der Ost-Politik, vertrat ostdeutsche Interessen in der Bundespolitik, unter anderem mit Regine Hildebrandt. Brandenburg regierte er von 1990 bis 2002, zunächst wagte er eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP, später erreichte er sogar die absolute Mehrheit. 2002 dann trat er zugunsten seines Nachfolgers Matthias Platzeck zurück. Er galt zudem als Verfechter der Ost-Erweiterung der EU, die 2004 vollzogen wurde.
2002 wechselte er in die Bundespolitik als Verkehrsminister. In der rot-grünen Regierungskoalition hatte er das Amt bis 2005 inne. Mitglied der SPD war er seit 1990, ein Jahr später rückte er in den Parteivorstand auf. Dem Gremium gehörte der Brandenburger bis 2002 an. Für sein politisches Engagement wurde Stolpe von der Partei ausgezeichnet, er erhielt als erster den Regine-Hildebrandt-Preis für sein Lebenswerk im Jahr 2015.