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Malu Dreyer zum SPD-Pflegekonzept: Es geht auch um Würde

Mehr Lohn und mehr Personal – so sieht der Plan der Minister Hubertus Heil, Franziska Giffey und Jens Spahn für die Pflege aus. Wie das ganze finanziert werden soll, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer im April im Interview zum SPD-Pflegekonzept.
von Vera Rosigkeit · 29. Mai 2019

Die SPD will den Eigenanteil bei der Pflege begrenzen. Worum geht es?

In einem stationären Altenheim müssen Pflegebedürftige neben Verpflegung und Wohnkosten zusätzlich einen Eigenanteil für Pflegekosten zahlen. Dieser Eigenanteil liegt derzeit im Schnitt bei 618 Euro, wobei die Spanne zwischen den einzelnen Bundesländern sehr groß ist. Er ist nicht gedeckelt für die Betroffenen, wohl aber für die Pflegekasse. Das wollen wir ändern. Menschen, die Pflege brauchen, sollen Klarheit haben und sich nicht vor zu hohen Eigenanteilen fürchten müssen. Deswegen wollen wir den Eigenanteil für sie deckeln. Wir wollen aber auch eine Verbesserung für die Pflegekräfte. Sie müssen endlich besser bezahlt werden. Auch andere Reformen, die wir bereits auf den Weg gebracht haben, wie beispielsweise eine bessere Ausbildungsvergütung, kosten Geld. Wir wollen verhindern, dass diese Mehrkosten am Ende zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen.

Wie ist der Spagat zwischen wachsenden Kosten und finanzieller Entlastung der Pflegebedürftigen zu meistern?

Wir wollen nicht die Leistungen der Pflegeversicherung begrenzen, sondern die Eigenanteile der zu Pflegenden. Kostensteigerungen sollen künftig solidarisch über moderat steigende Beiträge und einen Bundeszuschuss finanziert werden. Wir wollen auch, dass Pflege, die nur aus medizinischen Gründen erfolgt, künftig von der Krankenversicherung zu zahlen ist. Und wir wollen private und gesetzliche Pflegeversicherung zu einer Bürgerpflegeversicherung zusammenlegen.

Was ändert die Bürgerpflegeversicherung?

Bei der Einführung der Pflegeversicherung hat man zwei Fehler gemacht: Der Eigenanteil wurde nicht gedeckelt, so dass die Betroffenen nicht wissen, welche Kosten auf sie zukommen. Der zweite Fehler ist, dass die Leistungen in gesetzlicher und privater Pflegeversicherung zwar exakt gleich sind, es sich aber um zwei getrennte Finanzierungssysteme handelt, zwischen denen es keinen Ausgleich gibt. Das Ergebnis ist: Bei den privaten haben sich inzwischen Rückstellungen von 35 Mrd. Euro angehäuft, weil sie nicht das gleiche Pflegerisiko haben wie die gesetzlichen. Diese hohen Rücklagen zeigen, dass es im System Pflege ausreichend Geld gibt, um Pflegekräfte besser zu bezahlen und die Angehörigen und die Pflegebedürftigen zu entlasten. Deshalb will die SPD eine Pflegebürgerversicherung, die beide Säulen zusammenführt.

Ist das in der Koalition durchzusetzen?

Wir haben in dieser Legislaturperiode in der Großen Koalition einiges auf den Weg gebracht. Mit der „Konzertierten Aktion Pflege“ setzen wir alles daran, die Arbeitsbedingungen, Ausbildung und Löhne zu verbessern. Einige Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen erarbeiten derzeit einen Tarifvertrag, der durch die Bundesregierung für die gesamte Branche bundesweit für gültig erklärt werden kann. Aber damit geben wir uns nicht zufrieden. Unser Konzept für die Finanzierung der Pflegeversicherung geht über den Koalitionsvertrag hinaus.

Ist das Teil der Erneuerung der SPD?

Unsere Verpflichtung als SPD ist einerseits, gut zu regieren und anderseits, die SPD programmatisch neu aufzustellen. Wir wollen Pflege so organisieren, dass sich jeder darauf verlassen kann, dass man selbst oder Familienangehörige gut gepflegt werden, von qualifiziertem und gut bezahltem Pflegepersonal und dass die Pflege gleichzeitig bezahlbar bleibt. 37 Prozent der Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen beziehen bereits Leistungen der Sozialhilfe, Tendenz steigend. Die SPD weiß, dass eine gute Pflege Teil einer lebenswerten und solidarischen Gesellschaft ist. Pflegebedürftigkeit darf nicht in die Armut führen. Wir wollen, dass Menschen, die der Pflege bedürfen, in Würde und Selbstbestimmung leben können.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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