Inland

Malu Dreyer: Das Leben ist kurz, legen wir los

Malu Dreyer. Überzeugungstäterin, Regierungschefin, Energiebündel. Soeben ist ihr Buch "Die Zukunft ist meine Freundin" erschienen. Im Interview spricht sie über Haltung. Darüber, wie viel Freude ihr ihr Beruf macht. Und sie sagt, wie Flüchtlinge schnell in unserer Gesellschaft ankommen können.
von Birgit Güll · 13. Oktober 2015

Sie ist in einem CDU-Haushalt aufgewachsen und SPD-Politikerin geworden. Sie war Staatsanwältin, jetzt ist sie Ministerpräsidentin. Sie hat Multiple Sklerose und strotzt vor Energie und Lebensfreude. Malu Dreyer. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz ist eine außergewöhnliche Frau. Sie hat viel erlebt und dabei eine Haltung entwickelt. Gemeinsam mit dem Journalisten Hajo Schumacher hat sie nun ein Buch geschrieben: „Die Zukunft ist meine Freundin“. Beim Lesen des Buches ist es ein bisschen so, als säße man mit einer neuen Freundin am Tisch. Einer sehr mutigen. Sie erzählt und schmiedet Pläne. Sie sagt, was ihr wichtig ist: „Das Leben ist zu kurz und zu wertvoll, um es nicht mit anderen zu teilen und optimistisch nach vorn zu schauen. Es gibt noch viel zu tun, zu erleben, zu verbessern. Gemeinsam schaffen wir das. Wir haben noch viel zusammen vor.“

Wir haben die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz interviewt.

Im März 2016 wird in Rheinland-Pfalz gewählt. Gerade ist Ihr Buch „Die Zukunft ist meine Freundin“ erschienen. Sie gewähren sehr persönliche Einblicke in Ihr Leben. Warum haben Sie dieses Format gewählt?

Malu Dreyer: Freunde haben schon häufiger zu mir gesagt: Du solltest mal ein Buch schreiben. Eigentlich habe ich dazu gar keine Zeit. Als ich den Journalisten Hajo Schumacher getroffen habe, haben wir entschieden, das Buch gemeinsam zu machen. Er ist mein Co-Autor. Die Art, wie ich Politik mache, und meine Überzeugungen haben sich aus dem entwickelt, was ich erlebt habe. Überzeugungen müssen wachsen. Ich habe heute eine sehr klare Haltung, ich weiß, wo ich stehe.

Sie sind Feministin. Wenn ein junges Mädchen, sagen wir eine 12-Jährige, Sie fragt, warum Feminismus heute noch wichtig ist, was antworten Sie?

Im Grundgesetz steht, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Aber das ist noch nicht die Realität. Wir haben viel erreicht, aber noch nicht genug. Es braucht immer noch Frauen, die sich für Gleichberechtigung stark machen.

Sie wissen seit mehr als 20 Jahren, dass Sie Multiple Sklerose haben – eine entzündliche Nervenerkrankung, die nicht heilbar ist. Und Sie haben einen anstrengenden Beruf, den Sie sichtlich mit Freude verrichten. Woher nehmen Sie die Kraft?

Die Erkrankung behindert mich nicht. Ich bin einfach nur in meiner Mobilität eingeschränkt. Und Kraft hab ich schon immer, seit ich denken kann. Das ist ein Geschenk. Ganz großen Halt habe ich in meinem Mann, in meiner Familie. Ich habe eine sehr positive Lebenseinstellung. Und dazu kommt mein Beruf. Er macht mir sehr viel Freude, gibt mir ganz viel zurück. Es macht Spaß, in Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin zu sein. Das möchte ich auch bleiben. Ich werbe um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, weil ich davon überzeugt bin, dass wir dieses Land gemeinsam gut gestalten.

Sie leben mit Ihrem Mann im „Schammatdorf“, einem Wohnprojekt. Was bedeutet Ihnen dieses Zuhause?

Das Schammatdorf ist ein intergeneratives Wohnprojekt. Dort wohnen behinderte und nicht behinderte Menschen. Es gibt Familien, Alleinstehende, Reiche, Arme – ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Alle haben ihren Platz und leben gleichberechtigt, gleichwertig und selbstbestimmt. Und der Nachbar ist einem nicht egal. Für mich ist das Schammatdorf meine Heimat. Dieses Umfeld gibt mir Normalität. Das ist sehr schön.

„Die Zukunft ist meine Freundin“, heißt ihr Buch. Weil Sie keine Angst vor Neuerungen haben, sondern Lust, Sie zu gestalten. Wie können wir in Deutschland Zukunft für die Menschen gestalten, die heute als Flüchtlinge zu uns kommen?

Wir sollten mit Optimismus gestalten. Diese Menschen kommen in ganz großer Not zu uns. Im Moment ist die Aufgabe extrem herausfordernd, aber gerade deshalb brauchen wir Optimismus und Solidarität in der Gesellschaft. Integration gelingt nur gemeinsam. Gemeinsam heißt wir und die Flüchtlinge. Gemeinsam heißt internationale Verantwortung, europäische Solidarität und der Bund, Land und die Kommunen. So kann es gelingen, den Zustrom zu bremsen und die Menschen hier gut und schnell in Kita, Schule, Job, Ausbildung zu integrieren – wir müssen alles tun, damit die Flüchtlinge in unserer Gesellschaft ankommen können.

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Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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