Lohngerechtigkeit: Warum Frauen gleiche Chancen beim Entgelt brauchen
Andreas Amann Fotografenmeister
Wie schließen wir die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern? Wie denkt die Bevölkerung über Entgeltgleichheit und was muss Politik tun, um sie zu verwirklichen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährigen Empfangs der SPD-Bundestagsfraktion zum Internationalen Frauentag.
Und nicht ganz ohne Stolz verkündete Thomas Oppermann im gut gefüllten Otto-Wels-Saal im Reichstagsgebäude, dass die SPD die Fraktion mit den meisten Frauen im Bundestag sei. „Mit insgesamt 82 Frauen haben wir die Quote geknackt“, sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Ins Zentrum seiner Begrüßung rückte er jedoch ein anderes Thema, das der Rolle von Frauen auf der Flucht.
Frauen brauchen sichere Fluchtwege
Seien zu Beginn Zweidrittel aller Flüchtlinge, die nach Europa kamen, Männer gewesen, kämen im Augenblick viele Frauen und Kinder, berichtete Oppermann. Frauen seien auf der Flucht aber ganz anderen Gefahren ausgesetzt. Nicht selten würden sie Opfer von Menschenhandel und Prostitution. „Frauen sind noch mehr auf sichere Fluchtwege angewiesen als Männer“, sagte er.
Auch deshalb sei es ihm lieber, Flüchtlinge per Kontingente aufzunehmen, weil das für Frauen und ihre Familien sicherer sei. Oppermann: „Frauen sind ein wichtiger Schlüssel zur Integration.“ Diese Frauen wüssten aber auch zu schätzen, dass es in Deutschland gleiche Rechte für Frauen gebe.
Mehr Transparenz in den Betrieben
Gleiche Chancen für Frauen müssen aber auch beim Entgelt selbstverständlich sein, fordert die SPD. Doch noch immer verdienen Frauen rund 22 Prozent weniger als Männer. Um diese Lohnlücke, den Gender Pay Gap, zu schließen, hat Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ein Gesetzesvorhaben für mehr Lohngerechtigkeit auf den Weg gebracht, das vor allem auf Transparenz setzt. Danach sollen künftig Angestellte und Arbeitnehmer in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten Auskunft darüber verlangen können, ob in ihrem Betrieb für gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt wird, erklärte Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium. Natürlich habe sie sich gewünscht, diese Vereinbarungen auch für kleinere Unternehmen zur Pflicht zu machen, räumte sie ein. Doch leider sei man in einer Großen Koalition auf Kompromisse angewiesen, fügte sie hinzu.
Frauenberufe aufwerten, Lohnlücke schließen
Doch wie lassen sich verdeckte Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern im Betrieb analysieren? Kerstin Oster ist Mitglied der Geschäftsführung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) und zuständig für Personal und Soziales. Um Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts aufzudecken habe ihr Betrieb den von der Hans-Böckler-Stiftung entwickelten Entgeltgleichheits-Check durchgeführt. Dabei handele es sich um eine Art „Handwerkskasten“ mit verschiedenen Instrumenten, mit denen wichtige Entgeltbestandteile wie Grundgehalt, Stufensteigerungen oder Leistungsvergütungen auf mögliche Diskriminierungspotentiale geprüft werden können“, erklärte Oster. Das schaffe Transparenz, betonte sie. Einfach sei das nicht, auch weil ihr Unternehmen ein sehr technisch orientierter Betrieb sei, die Berufe männerdominiert.
Frauen dominieren nach wie vor die sozialen und pädagogischen Berufe. Warum aber wird die Pflege von Menschen schlechter entlohnt als die Reparatur einer Waschmaschine? Bei Frauenarbeit handele es sich oft um Arbeit, die früher ehrenamtlich verrichtet wurde, erklärte Carola Reimann, Vize-Vorsitzende der Bundestagsfraktion. Heute seien diese Berufe häufig steuer- oder beitragsfinanziert. Das Problem: Ein Anheben des Lohns für diese Beschäftigten müsste über Sozialversicherungsbeiträge oder Zuzahlung der Pflegebedürftigen gegenfinanziert werden. Das sei bisher eines der stärksten Argumente gegen die finanzielle Aufwertung dieser Berufe, erklärte sie. Doch Reimann ist zuversichtlich, denn diese Frage hätte auch bei Einführung des Mindestlohns eine Rolle gespielt.
Entgeltgleichheit ist Frage der Gerechtigkeit
„Fakt ist: Es wird teurer“, so Reimann. Doch die Bevölkerung sei dafür. Das zumindest weiß Carsten Wippermann, Leiter des DELTA-Instituts für Sozial- und Ökologieforschung. 90 Prozent der Frauen empfänden es als Skandal, dass Frauen schlechter bezahlt würden und 76 Prozent der Männer stimmen dem zu, zitierte Wippermann die Ergebnisse einer repräsentativen Studie. Der Bevölkerung sei das Thema Entgeltgleichheit wichtig, die Lohnlücke von 22 Prozent zwischen Männern und Frauen den meisten ein Begriff. Und: Mit überwältigender Mehrheit stehe die Bevölkerung hinter der Forderung nach Transparenz bei betrieblichen Entgeltstrukturen.
Auch über die Grenzen dieser eingeleiteten Maßnahmen zur Förderung von mehr Entgeltgleichheit ist man sich in der SPD bewusst. Doch Staatssekretärin Elke Ferner lässt sich nicht entmutigen. Auch wenn das Gesetz nur in Betrieben mit über 500 Beschäftigten Anwendung finde, mache es eine Tür auf, erklärte sie. In der nächsten Legislaturperiode könne man dann weitermachen, fügte sie hinzu.
Sönke Rix, frauenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stimmte zu. Den Fuß in die Tür zu bekommen sei wichtig, betonte er. Denn bei diesem Thema brauche es einen langen Atem. Rix erinnerte an die fraktionsübergreifende Frauenpower beim Gesetz für die Frauenquote. Frauensolidarität sei auch bei diesem Thema wichtig. „Daran müssen wir arbeiten“, so Rix. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.