Lohngerechtigkeit: Ist bald Schluss mit der Lohndiskriminierung?
Noch in diesem Jahr, so der im Koalitionsvertrag verankerte Plan, will Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig den Entwurf zum Gesetz mit dem sperrigen Namen „Entgeltgleichheitsgesetz“ auf den Weg bringen. Für Betriebe mit Mitbestimmung und den öffentlichen Dienst bedeutet das: Es wird eine gesetzliche Verpflichtung zur Lohntransparenz geben.
Die Tarifpartner werden zum Abbau von Lohnungleichheiten verpflichtet. Damit das auch wirklich geschieht, soll eine ausgewogene Besetzung mit Männern und Frauen in den Tarifkommissionen Pflicht werden. Eine Dokumentationspflicht über die Anstrengungen zur Überwindung der Lohnungleichheit in den Tarifverhandlungen soll für Transparenz sorgen.
Drei Monate pro Jahr Mehrarbeit für gleichen Lohn
Teile der Union sind davon wenig begeistert, denn ihnen sitzt die Wirtschaft im Nacken, die sich heftig gegen die Gesetzespläne wehrt, von einem neuen „Bürokratiemonster“ spricht. Dabei bestreitet niemand die Realität, die in einem der reichsten Industrieländer der Welt so aussieht:
Immer noch verdienen Frauen 22 Prozent weniger als Männer für gleiche oder vergleichbare Arbeit. Und das, obwohl sie in den Schulen und an den Universitäten die besseren Abschlüsse haben. An der Tatsache, dass sie die Kinder bekommen, kann es nicht (nur) liegen, dass sie im Berufsalltag so schnell und dauerhaft ins Hintertreffen geraten: Die Geburtenrate ist niedrig, die Männer sind kooperativer als in früheren Generationen, wenn es um die Teilung der Familienarbeit geht, die öffentliche Kinderbetreuung ist zwar noch längst nicht perfekt, aber sehr viel besser als in früheren Jahrzehnten. Woran also liegt es, dass Frauen im Durchschnitt fast drei Monate länger arbeiten müssen, um auf ein durchschnittliches Männer-Jahreseinkommen zu kommen?
Die Gründe sind vielschichtig: Immer mehr Betriebe sind aus der Tarifbindung ausgestiegen. Dort sind Frauen also nicht mehr durch geschlechtsneutrale Tariflöhne geschützt. Frauen haben nach der Geburt eines Kindes zwar einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit – aber keinen zur Rückkehr auf eine Vollzeitstelle. Dazu kommt: sie nehmen sich in den für eine Karriere entscheidenden Jahren Auszeiten zugunsten der Kinder. Die Männer ziehen in diesen für die Karriere wichtigen jungen Jahren an ihnen vorbei. Bei Gehaltsverhandlungen sind Frauen in der Regel von einer unangebrachten Bescheidenheit – anders als Männer. Und sie arbeiten nach wie vor in den sogenannten Frauenberufen, in denen klassisch schlechter gezahlt wird als in den typischen Männerberufen.
Frauen werden schlechter bezahlt, weil sie Frauen sind
Die Gesellschaft nimmt es protestlos hin, dass in den so wichtigen, verantwortungsvollen und stressreichen Berufen wie denen der Hebammen, Erzieherinnen, Krankenpflegerinnen miserabel gezahlt wird. Leider arbeiten auch junge Frauen mit Abitur in den sogenannten „Helferinnen“-Berufen,- in denen männliche Kollegen mit der Lupe gesucht werden müssen - statt selbst Ärztinnen, Apothekerinnen, Rechtsanwältinnen zu werden.
Doch die Lohnungleichheit besteht auch in gleichen Berufen. Laut Hans-Böckler-Stiftung verdient die Metallarbeiterin 22 Prozent weniger als der Metallarbeiter, die Zahntechnikerin sogar 27 Prozent weniger. Die Bankkauffrau hat 19 Prozent weniger Geld in der Tasche als der männliche Kollege, die Maschinenbautechnikerin 17 Prozent weniger. Die Gründe? Der Tarifexperte Reinhard Bispinck vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) sagt lapidar: „Zum Teil werden Frauen schlechter bezahlt, weil sie Frauen sind.“
Der SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel nennt diese groteske Ungleichheit „eine Schande“. Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kontert die Störmanöver aus der Union gegen das Entgeltgleichheitsgesetz mit dem Satz: „Diese Art von Macho-Politik passt nicht mehr ins 21. Jahrhundert.“
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(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.