Lobbycontrol kritisiert Union für Korruption und lobt SPD für Register
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Die Liste der Namen ist lang, die Lobbycontrol in seinem Jahresreport nennt. Der Verein, der gegen intransparenten Lobbyismus, Korrupition und bestechliche Politiker*innen kämpft, zieht Bilanz. Dabei fallen immer wieder die Namen von Unions-Politiker*innen wie Georg Nüßlein oder Philipp Amthor, aber auch Minister*innen wie Andreas Scheuer tauchen in dem Bericht auf. Von beispiellosem Lobbyismus spricht Geschäftsführerin Imke Dierßen, und sehr zu ihrem Bedauern auch von Korruptionsskandalen, wenn sie auf die vergangenen Jahre zurückblickt.
Allen voran sorgten demnach die Affären und Skandale rund um die Bereicherung bei der Beschaffung von Masken in der Coronakrise für Empörung, bis hin zu verdecktem Lobbyismus für das Regime Aserbaidschans. Verfehlungen, für die Lobbycontrol gleich mehrere Konservative anprangert, Politiker*innen wie Nüßlein (CSU) sowie Nikolas Löbel (CDU) oder Mark Hauptmann (CDU) waren darin verwickelt, ebenso Alfred Sauter (CSU).
Maskenaffäre machte Lobbyregister möglich
Unter dem Druck dieser Skandale wurden aber deutliche Fortschritte erzielt, lobt der Verein – und lässt dabei nicht unerwähnt, dass sich linke Parteien, allen voran die SPD in der großen Koalition, tatkräftig dafür einsetzten, während Konservative und Liberale immer wieder blockierten und bremsten. „Es wurde ein Meilenstein erreicht“, sagt Regulierungs-Experte Timo Lange zu dem Anfang des Jahres verabschiedeten Lobbyregister.
„Trotz aller Lücken und Schwächen“, so Lange weiter, seien mit dem Register zentrale Forderungen des Vereins umgesetzt worden – und im Entscheidungsprozess sei das Lobbyregister noch über den ursprünglichen Entwurf hinaus verschärft worden. In dem Register müssen Regierung und Abgeordnete künftig ihre Lobbykontakte angeben, außerdem wurden Regeln zu Nebeneinkünften verschärft, müssen nun präziser angegeben werden. „Das ist die positive Nachricht am Ende dieser Legislaturperiode“, bekräftigt Dierßen.
Der Verein nennt in seinem Report auch den Wirecard-Skandal als „Musterbeispiel für die Lobbyismus-Problematik“, ergänzt dabei aber: Der Einfluss ehemaliger Politiker*innen wie Karl-Theordor zu Guttenberg (CSU) auf die Bundeskanzlerin wären mit einem Lobbyregister, wie es jetzt eingeführt wurde, sichtbar geworden.
Lobbycontrol sieht strukturelle Probleme bei Union
Drastisch fällt vor allem das Urteil über die Union aus. Beispiel Philipp Amthor: Der CDU-Politiker musste 2020 einräumen, dass er für das amerikanische Unternehmen „Augustus Intelligence“ Kontakte zu CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier hergestellt hatte – Lobbyismus parallel zu seinem Bundestagsmandat. Im Gegenzug bekam er Aktien und Aufsichtsratsposten angeboten. Als das publik wurde, folgte eine Entschuldigung und ein Verzicht auf den Landesvorsitz der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, doch aufgeklärt oder bestraft wurde sein Verhalten nie – es war zu dem Zeitpunkt legal. Inzwischen ist Amthor Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern für den Bundestag. „Er ist ungeschoren davongekommen“, bilanziert Dierßen.
Solche Vorfälle haben auch das Vertrauen in die Politik insgesamt beschädigt, bilanziert Dierßen. Zumal, wie Dierßen anmerkt, darüber auch diejenigen beschädigt werden, die ordentlich arbeiten. „Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten ist integer und nicht bestechlich“, betont sie bei der Vorstellung des Reports.
Merz als Lobbyist zurück in der Politik
Dass dem Verhalten Amthors innerhalb der CDU keine Konsequenzen folgten, zeige außerdem, dass es in der Union weiterhin strukturelle Probleme im Umgang mit Lobbyismus gebe, erklärt Lange. „Es ist uns nicht bekannt, dass seine Spitzenkandidatur eine Welle der Empörung in der Partei auslöste“, ergänzt Dierßen die Kritik von Lobbycontrol. Die Rückkehr von Friedrich Merz in die Spitze der CDU sieht der Verein ebenfalls kritisch. „Er ist auch Lobbyist“, so Dierßen mit Blick auf seinen Posten als Präsident des Wirtschaftsrats der CDU – ein Lobbyverband der Industrie, der der Union nahesteht.
Lobbycontrol fordert deswegen auch eine weitere Verbesserung der Regeln und Prüfungen: So sei die Bundestagsverwaltung weiterhin für eine Überprüfung der Angaben der Abgeordneten verantwortlich, die wenig Kontrollmöglichkeiten habe. Für Großspenden an Parteien fordern sie einen Deckel, für scheidende Politiker*innen eine längere Übergangszeit, bevor sie bezahlte Lobbytätigkeiten ausüben dürfen. Und bei den Kontakten mit Interessenvertreter*innen fordern sie eine bessere Ausgewogenheit. Populärstes Beispiel: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe 80 Treffen mit Wirtschaftslobbyist*innen in den vergangenen Jahren gehabt, mit Umweltverbänden lediglich ein einziges.
Und Lange appelliert grundsätzlich an das Gewissen der Bundestagsabgeordneten aller Parteien: „Bezahlte Lobbyarbeit und Abgeordnetentätigkeit vertragen sich nicht.“