Sie nennen sich „Interessenvertreter“, „Senior Consultant“ oder „Public-Affairs-Director“. Das soll verschleiern, was sie in Wirklichkeit sind: Lobbyisten. Seit dem Umzug der Regierung nach Berlin ist ihre Zahl geradezu explodiert. Im Hauptstadtschmäh heißt die Straße „Unter den Linden“ inzwischen „Unter den Lobbyisten“. Bei Bürgern und Parlamentariern wächst der Unmut über diese Entwicklung.
Mancher Abgeordnete erhält während der Sitzungswochen schon mehr Lobbyisten- als Bürgerpost. In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck breit gemacht, dass Deutschland immer mehr zur Lobby-Republik wird, in der die Volksvertreter nicht für das Wohl der Bürger arbeiten, sondern vorrangig die Interessen von Lobbygruppen vertreten – und davon womöglich auch noch persönlich profitieren.
Doch dieser Eindruck ist falsch. Nur 25 Prozent der Abgeordneten nehmen neben ihrem politischen Mandat auch Aufgaben in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen wahr. Und auch in dieser Minderheit gibt es nur eine kleine Minderheit schwarzer Schafe.
Radikaler Wandel
Diese Wenigen fügen dem Ansehen der Demokratie erheblichen Schaden zu. Helfen kann nur ein radikaler Wandel. Deshalb fordern nicht nur Sozialdemokraten mehr Transparenz, mehr Kontrolle und eine striktere Trennung von parlamentarischem Mandat und wirtschaftlichen Interessen.
Den Lobbyismus verbieten will allerdings auch die SPD nicht. Politiker sind auf das Fachwissen von Experten angewiesen – das von Umweltschützern ebenso wie das von Unternehmern, das von Gewerkschaften ebenso wie das von Arbeitgebern, von Patientenvertretern wie von der Gesundheitswirtschaft. Aber es muss Waffengleichheit herrschen zwischen denjenigen, die wirtschaftlich stark sind, und denjenigen, die nur über geringe Mittel verfügen. Wenn Rot-Grün die nächste Wahl gewinnt, wird es schärfere Regeln für Lobbyisten geben müssen. Je früher, umso besser.