Vor fünf Jahren noch stand Lettland vor dem Staatsbankrott. Jetzt ist es dem Euro beigetreten als 18. Mitglied der Währungsunion in einem für die Ostseerepublik in vielerlei Hinsicht historischem Jahr.
Das ist für uns viel mehr als nur ein Währungswechsel,“ sagt Ilmars Rimsevics, Chef der Zentralbank: „Wir kehren dadurch vollständig nach Europa zurück.“ Und mit dem Betritt Litauens 2015 werden dann alle drei baltischen Staaten der Eurozone angehören, 25 Jahre nachdem sie sich von der Sowjetunion gelöst haben. Auch wenn die Einführung des Euros und die Ablösung der Landeswährung Lats in großen Teilen der Bevölkerung mit einiger Skepsis gesehen wird, in der Hauptstadt Riga wird offiziell gefeiert. Denn die über 800 Jahre alte Stadt ist zusammen mit Umea in Mittelschweden europäische Kulturhauptstadt in diesem Jahr.
Die gut zwei Millionen Letten haben sehr harte fünf Jahre hinter sich. Die Regierung in Riga setzte einen brutalen Sparkurs durch, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Die Bevölkerung stöhnte wegen der niedrigen Renten, der niedrigen Löhne, den höheren Preisen und der Reduktion der Staatsausgaben. Zane Supulniece, sie führt Touristen durch Riga, glaubt, dass sich dieser Weg gelohnt hat: „Wir werden es schaffen und sind nun ein Teil von Europa.“ Tatsächlich erfüllte Lettland sehr eindeutig die Bedingungen zum Euro-Beitritt und hat zu Beginn dieses Jahres das größte Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union.
"2014 ist unser Jahr"
Die Letten sind ein sehr traditionsbewusstes Volk. Für sie ist dieses Jahr von großer Bedeutung. Keineswegs nur wegen der Einführung des Euro. Sie erinnern sich: Es ist der 23. August 1989. Der 50. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes. Von Tallinn in Estland über Riga bis nach Vilnius in Litauen stellen sich 1,7 Millionen Menschen auf, bilden eine Kette, singen gegen die Sowjetherrschaft an. Es ist der Beginn der Revolution. Im Mai 1990 erklärt sich Lettland unabhängig. Moskau nimmt das nicht hin, schickt Truppen nach Riga. Die greifen die unbewaffnete Bevölkerung an, die in der Hauptstadt Barrikaden errichtet
Ein Gang mit Zane Sulpuniece durch das kleine Barrikaden Museum in der schmalen Straße Kramu in Rigas Altstadt ist ein Spaziergang hinein diesen Abschnitt in der jüngeren Geschichte Lettlands, veranschaulicht die Brutalität des sowjetischen Vorgehens und den Erfolg des gewaltlosen Widerstands der Bürger von Riga. „Wir haben damals für unsere Unabhängigkeit gekämpft, für unsere Kultur,“ sagt die Stadtführerin. „2014 ist unser Jahr.“ Also wird das ganze Jahr gefeiert. Die Letten sind nämlich ganz großartige Sänger und am liebsten singen sie ihre vierzeiligen Volkslieder, die Dainas. Natürlich wird es ein großes Sängerfest geben. Im Juli in dieser Hauptstadt des europäischen Jugendstils mit seinen prächtigen Bauten und Fassaden.
Rund 700 000 Menschen leben in der Stadt an der Ostsee, die 1201 von einem Bremer Bischof gegründet wurde. Er war mit Kreuzrittern in die Gegend gezogen, um die Menschen zu unterwerfen und zu christianisieren. So begann die Geschichte eines Landstrichs, der seitdem entweder unter den Deutschen oder unter den Russen zu leiden hatte. Bis zu jenem Augusttag 1989 als die Bevölkerungen der drei Baltenrepubliken sich zusammenschlossen und gegen die sowjetische Herrschaft ansangen.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).