Die Zeit drängt und Italiens neuer Regierungschef will keine Zeit mehr verlieren: Unmittelbar nach seiner Bestätigung durch den Senat in Rom hat sich Ministerpräsident Enrico Letta heute auf den Weg nach Berlin gemacht.
Sein Ziel ist das Kanzleramt, wo er von Angela Merkel zum Antrittsbesuch empfangen wird. Der Sozialdemokrat wird mit ihr über seine Pläne zur Sanierung Italiens und über die künftige Politik Europas sprechen.
In seiner gestrigen Regierungserklärung in Rom machte Enrico Letta klar, wohin die Reise für Italien künftig gehen soll: Reformen und Schuldenabbau ja, aber kein Kaputtsparen mehr, lautet sein Credo. „Sparprogramme allein werden uns umbringen“, warnte der Ministerpräsident. „Wir können mit der Wachstumspolitik nicht länger warten, die Familien leiden, es wachsen soziale Konflikte und Wut.“ Letta setzt auf Wachstumsstrategien national und „auf europäischer Ebene“.
Druck auf Merkel steigt
Dies dürfte eines der Themen sein, über die Letta heute mit Merkel sprechen wird. Die Kanzlerin hatte Vorschläge für eine europäische Wachstumspolitik immer wieder abgelehnt oder ausgebremst. Das galt für entsprechende Vorschläge der Sozialdemokraten ebenso für solche der EU-Kommission und von anderen EU-Regierungen. Der Druck auf Merkel steigt, ihre starre Haltung zu korrigieren.
Nach den europakritischen Äußerungen des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi bekannte sich Letta klar zu einem proeuropäischen Kurs. „Der Hafen, den wir anlaufen, nennt sich Vereinigte Staaten von Europa“, betonte der Ministerpräsident. Er plädiert für eine stärkere europäische Integration. „Ohne Europa verlieren wir alles“, warnte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung.
Große Koalition soll Italien retten
Letta führt in Rom eine große Koalition. Stärkste Partei ist sein sozialdemokratischer „Partito Democratico“, gefolgt von Berlusconis „Volk der Freiheit“ und der „Bürgerliste“ des bisherigen Ministerpräsidenten Mario Monti. Die populistische „Bewegung 5 Sterne“ von Beppe Grillo ist in der Opposition, ebenso wie Berlusconis früherer rechtspopulistischer Koalitionspartner, die „Lega Nord“.
Die große Koalition gilt als letzte Chance Italiens, seine Wirtschafts- und Finanzprobleme umfassend zu lösen. Nach dem Patt bei den Parlamentswahlen hatte es mehr als zwei Monate gedauert, bis sich die Parteien auf eine Koalition geeinigt hatten. Die Alternative wären sofortige Neuwahlen gewesen, die das Land vermutlich noch tiefer in die Krise geführt hätten.