„Lesen macht stark“ – und Schleswig-Holstein zum Bildungs-Spitzenreiter
Michael Gottschalk/photothek.net
Die Schüler in Schleswig-Holstein haben sich in Deutsch und Englisch stark verbessert, beim letzten Bildungsvergleich der Kultusministerkonferenz (KMK) gehörten sie zu den Spitzenreitern. Was haben Sie anders gemacht in den letzten Jahren?
Erst einmal freue ich mich über das sehr beeindruckende Ergebnis für Schleswig-Holstein. Das ist vor allem eine Bestätigung für die gute und engagierte Arbeit unserer Lehrkräfte und Schulleitungen. Es ist aber auch eine Bestätigung für unser Schulsystem mit nur zwei weiterführenden Schularten – den Gemeinschaftsschulen und den Gymnasien. Diese Schulstruktur ist mittlerweile etabliert und akzeptiert. So konnten wir uns auf die Verbesserung der Qualität von Schule und Unterricht konzentrieren.
Wie haben Sie das gemacht?
Dazu gehörte die Umsetzung der KMK-Bildungsstandards in unsere Fachanforderungen, die Nutzung der Vergleichsstudien VERA in den Klassen 3 und 8 sowie die Wiedereinführung der externen Evaluation als Schulfeedback. Wir haben uns in den vergangenen Jahren auch gezielt um die schwächeren Schülerinnen und Schüler gekümmert. Dazu diente vor allem das 2006 gestartete Programm „Niemanden zurücklassen – Lesen macht stark.“ Es hat maßgeblich zum Erfolg beigetragen.
Was genau passiert in diesem Programm?
Je Schülerin und Schüler gibt es eine Lesemappe, in der „alles rund ums Lesen“ gesammelt werden kann. Dort haben Lesetexte, die in der Freizeit oder in der Schule gelesen werden, ebenso ihren Platz wie Lesetipps oder Themenkarten. Das ist die Basis für die individuelle Leseförderung der Kinder und Jugendlichen durch die Lehrkräfte. Dazu kommen 600 gezielt ausgebildete Lesecoaches, die sich um das regelmäßige Lesenlernen kümmern. Zudem wird die Leistungsentwicklung durch regelmäßige Lernstandserhebungen beobachtet und überprüft.
Nehmen alle Schüler im Bundesland daran teil?
Wir haben das Programm 2006/2007 zunächst an den damaligen 50 Hauptschulen gestartet und systematisch ausgeweitet auf alle heutigen Gemeinschaftsschulen. Seit 2014 gibt es auch ein entsprechendes Programm für die Grundschulen. Mittlerweile sind insgesamt 77.000 Schülerinnen und Schüler an über 200 Schulen gefördert worden. In den Grundschulen arbeiten zurzeit fast 200 Schulen mit dem Material.
Gibt es bestimmte Schülergruppen, die die Förderung besonders nötig haben?
„Lesen macht stark-Sekundarstufe I“ richtet sich genau wie das Pendant „Mathe macht stark“ speziell an leistungsschwache Schülerinnen und Schüler. Das Material berücksichtigt, dass in verschiedenen Studien besonders die Jungen schlecht abschnitten und spricht diese mit einer gendersensiblen Auswahl von Texten und Aufgaben besonders an. Es wird auch mit Methoden aus dem Bereich Deutsch als Zweitsprache und interkulturellen Ansätzen gearbeitet.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Lehrerinnen und Lehrern?
Uns erreichen durchweg positive Rückmeldungen vor allem zum professionellen Unterrichtsmaterial. Die Lehrkräfte schätzen vor allem die „Lesestrategien“, die die Schülerinnen und Schüler mit dem Material erarbeitet können. Und sie nutzen die Website, auf der zusätzliche didaktisch aufbereitete Lesetexte als Download zur Verfügung stehen.
Welche Rolle spielen Fortbildungen von Lehrkräften?
Wer Unterrichtsqualität verbessern will, braucht eine hohe fachliche Kompetenz der Lehrkräfte. Die erreichen wir über Fortbildungen – zum Beispiel zu den Themen Fachdidaktik oder auch individuelle Förderung. Fortbildungen spielen also eine zentrale Rolle und eine aktuelle Studie bescheinigt uns, dass fast 90 Prozent der Lehrkräfte sich gut fortbilden.
Kostet das nicht alles sehr viel Geld?
Das kostet Geld, ja – wir geben zum Beispiel in diesem Jahr ca. 1,7 Millionen Euro für Fortbildungen aus und allein die Lesemappen, die wir seit 2006 im Rahmen von „Lesen macht stark“ haben drucken lassen, haben bis heute 814.000 Euro gekostet. Aber das ist gut investiertes Geld. Schleswig-Holstein liegt bei den Ausgaben pro Schülerin oder pro Schüler im Vergleich der Bundesländer im unteren Bereich. Da ist also noch Luft nach oben.
Wie geht es weiter an den Schulen in Schleswig-Holstein?
Wir werden in Schleswig-Holstein konsequent auf die Qualitätsverbesserung setzen. Die Studie hat erhebliche Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen aufgezeigt und auch der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg ist noch zu eng. Außerdem liegen die Leistungen von Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund hinter denen ohne Zuwanderungshintergrund. Wir werden also die erfolgreiche Unterstützung der Schwächeren fortsetzen, aber auch gezieltere Angebote für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler entwickeln, denn ein gutes Bildungssystem unterstützt alle jungen Menschen – unabhängig vom Geschlecht, der Herkunft oder der Ausgangslage im Elternhaus.