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Lebensmittel: „Der Verbraucher soll wissen, was er bekommt.“

Ist wirklich drin, was auf der Verpackung steht? Für Verbraucher ist das nicht immer einfach zu entscheiden. Sarah Rygleswki, Sprecherin des SPD-Themenforums Verbraucherpolitik, fordert deshalb zum Start der Grünen Woche eine klarere Kennzeichnung von Lebensmitteln.
von Kai Doering · 14. Januar 2016
Kunden im Supermarkt
Kunden im Supermarkt

Früchtejoghurts, die keine Früchte enthalten, oder Muskatwürzer ohne Muskatnuss: In deutschen Supermärkten ist das die Regel. Wieso ist so etwas erlaubt?

Es gibt Richtlinien, was in einem Produkt enthalten sein muss, wenn bestimmte Inhaltsstoffe auf der Verpackung stehen. Aber die sind nicht immer sehr verbraucherfreundlich: So kann es passieren, dass auf einem Himbeer-Joghurt der Hinweis „Ohne künstliche Aromastoffe“ steht. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er überwiegend Himbeeren enthält, da das Aroma aus Zedernholz gewonnen wird. Das ist auch ein natürliches Produkt. Das Etikett stimmt also. Nach den geltenden Regeln reicht es aus, wenn ein Joghurt nach dem schmeckt, was auf dem Becher steht.

SPD und CDU wollen mehr Klarheit in die Kennzeichnung von Lebensmitteln bringen. Am heutigen Donnerstag wurde ein entsprechender Antrag im Bundestag beraten. Was ändert sich für die Verbraucher?

Im Kern geht es darum, die Kennzeichnung von Produkten der Auffassung der Verbraucher stärker anzunähern. Die Lebensmittelbuch-Kommission, die die Richtlinien für die Kennzeichnung festlegt, agiert zwischen Verbraucher- und Produzenten-Interesse. Dadurch sind Dinge nicht immer verständlich, was nichts mit böser Absicht zu tun hat, aber trotzdem ärgerlich ist. Der Leitsatz unseres Antrags ist „Wahrheit und Klarheit“. Der Verbraucher soll beim Blick auf die Verpackung, wissen, was er bekommt.

Die Lebensmittel in Deutschland sind im europäischen Vergleich sehr günstig. Ist den Deutschen ihr Essen nichts wert?

Das würde ich so pauschal nicht sagen. Sehen Sei sich an, wie Kochsendungen im Fernsehen boomen oder wie groß der Ansturm auf Bio- und regionale Produkte ist. Ichdenke ich schon, dass den Menschen gute Ernährung wichtig ist und das Bewusstsein dafür immer mehr wächst Insgesamt beobachte ich aber auch, dass die Deutschen eher wenig bereit sind, viel Geld für ihr Essen auszugeben, abgesehen von besonderen Anlässen wie an Geburtstagen oder zu Weihnachten. Deshalb ist es auch ein Anliegen des SPD-Themenforums Verbraucherpolitik, für den Umgang mit Essen zu sensibilisieren. Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, sich ausgewogen und gesund zu ernähren, ohne dass das gleich ausufernd teuer ist.

Das Themenforum lädt am Samstag zu einer Veranstaltung ein, bei der es um die Verbindung zwischen Lebensmittelpreisen und der Bezahlung der in der Lebensmittelindustrie Beschäftigten geht. Ist es den Menschen zu wenig bewusst, dass die Menschen, die ihre Lebensmittel herstellen, auch vernünftig bezahlt werden müssen?

Da gibt es schon Nachholbedarf. Wenn es um die Produktion von Lebensmitteln geht, steht häufig das Thema Tierschutz im Mittelpunkt, was ja im Prinzip auch richtig ist. Trotzdem muss man auch sehen, dass immer Menschen hinter den Produkten stehen. Wenn man sich etwa überlegt, wie wenig Geld ein Landwirt mit seinen Erzeugnissen verdient, kann man sich gut vorstellen, dass die Arbeitsbedingungen nicht so sind, wie man es sich wünschen würde. Ein anderes Beispiel sind die Schlachthöfe, in denen viele Tausend Menschen mit Werkverträgen und dementsprechend schlechter Bezahlung arbeiten.

Für Samstag rufen Verbände und Initiativen wieder zur Demo gegen die industrielle Landwirtschaft auf. Wie geht das Themenforum Verbraucherpolitik der SPD mit dem Thema um?

Ich persönlich begreife die industrielle Landwirtschaft nicht als Kampfbegriff. Nicht jeder Bauer, der konventionell produziert, steigt damit gleich in die Massentierhaltung ein. Da muss man schon differenzieren. Produkte müssen ja auch bezahlbar bleiben. Trotzdem ist es richtig, das Bewusstsein für den Wert landwirtschaftlicher Erzeugnisse und ihre Produktionsbedingungen zu schärfen.

Die am Freitag beginnende „Grüne Woche“ feiert in diesem Jahr ihr 90-jähriges Jubiläum. Sehen Sie eine Sensibilisierung der Aussteller für die veränderten Bedürfnisse der Verbraucher?

Ja, auf jeden Fall. In den vergangenen Jahren sind die Interessen der Verbraucher auf der Grünen Woche ganz klar in den Fokus gerückt. Heute präsentieren sich Verbraucherschutzorganisation neben Vertretern aus der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie. Aber natürlich bleibt der Dialog zwischen den einzelnen Gruppierungen wichtig.

Denken Sie dabei an ein bestimmtes Thema?

Bei den regionalen Produkten erleben wir seit einiger Zeit einen Hype. Hier ist oft nicht klar, was das Label „regional“ eigentlich bedeutet. Vor einiger Zeit hatte ich in Bremen ein Produkt in der Hand, das als „regional“ gekennzeichnet war. Als ich genauer hingesehen habe, hat sich herausgestellt, dass es tatsächlich im Bremer Umland hergestellt worden war. Verpackt worden war es allerdings in Südhessen. Das kann nicht im Interesse eines Verbrauchers sein, der Wert auf eine regionale Herkunft legt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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