Meine Erfahrungen als Europäer: Die EU der Bürger scheitert mitunter am Europapolitiker. Es sei denn, er heißt Martin Schulz. Dann geht’s.
Wie schafft man ein Europa der Bürger? Die Frage verstehe ich nicht. Das gibt es längst, jedenfalls seitens der Bürger. Man zeige mir den Fußballfan, der sich nicht freut wie Bolle, wenn sein Club im europäischen Wettbewerb gegen Manchester spielt. Das ist immer besser als im Pokal nach Meppen zu fahren, da kann man dann sogar mal verlieren.
Man fahre mal zu Pfingsten nach Holland. Politisch korrekt: ins Königreich der Niederlande. Aber wir sind Kumpels, da ist man nicht so formell. Wir, also das halbe Ruhrgebiet. Das sitzt an diesem Wochenende gerne auf einem holländischen Campingplatz, irgendwo kurz vor Den Helder. Man verbiete mal einem Teenager Döner und Pizza. Er wird rebellieren. Sein Döner kommt aus der Türkei, genauer: aus dem osmanischen Reich. Man schaue sich nun mal eine Landkarte des 17. Jahrhunderts an. Damals ging dieses Reich bis kurz vor Wien. Womit der türkische Döner plötzlich eine historisch sehr europäische Sache ist. Was bliebe ohne Pizza und Döner? Der Hamburger. Der aber geht nur mit Pommes – Belgien.
Aus Menschen im Ruhrgebiet muss man keine Europäer mehr machen. Hier gibt es zwar kaum noch Bergbau, aber ohne den Ruhrbergbau gäbe es die Europäische Union bekanntlich nicht.
Die müsste ihrerseits einfach gleiches Recht für alle schaffen. Der Facharbeiter Klaus Bollmann aus Backnang muss agieren können, wie es die Industrie schon lange kann. Bollmann erklärt sich einfach zum Arbeiter nach britischem Recht, zahlt seine Mini-Lohnsteuern auf der Kanalinsel Guernsey und wählt die europäische Sozialversicherung mit den besten Konditionen. Wenn er richtig abkassieren möchte, lässt er eine finnische Handyfirma im örtlichen Gewerbegebiet ansiedeln, die für ihre fetten Löhne bekannt ist. Die Umsiedlung fördert die EU.
Zwischen Utopie und dem Europabürger steht das MdEP, das Mitglied des Europaparlaments. An ihm scheitert es manchmal. Vor Jahren moderierte ich eine Wahlkampfveranstaltung, ein MdEP sollte erzählen, was Europa der Region bringe. Das Mikrofon in meiner Hand wurde schwerer und schwerer, die Sonne ging unter und wieder auf, die Frage ließe sich so einfach nicht beantworten, sagte das MdEP noch, ehe ich mit dem Publikum wegdämmerte. Der nächste Gast, ebenfalls MdEP, war ein Buchhändler aus Würselen. Plötzlich war da Europa, nein, es blühte. Martin Schulz hieß der Mann. Geht doch.
Georg Oligmueller
ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.