Lars Klingbeil: SPD hat vernünftigen Kurs in der Flüchtlingspolitik durchgesetzt
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Die SPD ist mit der Einigung der Koalitionsparteien und dem so erreichten Ende des Asylstreits hoch zufrieden. „Im Koalitionsausschuss haben wir in der Flüchtlings- und Migrationspolitik einen vernünftigen Kurs durchgesetzt“, bilanzierte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil die Einigung der Koalitionsspitzen vom Donnerstagabend in Berlin. „Keine geschlossenen Lager, keine nationalen Alleingänge und schnell ein Einwanderungsgesetz“, fasste er in einem Schreiben an die Parteimitglieder die Verhandlungserfolge der SPD zusammen.
Klingbeil: Ziemlich nah am Fünf-Punkte-Plan
Die Einigung mit CDU und CSU sei „ziemlich nah am Fünf-Punkte-Plan der SPD, den wir am Montag im Vorstand beschlossen hatten“, so Klingbeil. „Im Ergebnis sind nun nationale Alleingänge, wie sie Seehofer und Söder unbedingt wollten, ausgeschlossen.“ Stattdessen bleibe es bei europäische Lösungen. Die Unterstützung von Mitgliedstaaten mit besonderen Herausforderungen wie etwa die Mittelmeeranrainer sei eine Frage der europäischen Solidarität.
„Unwürdige Lager an den Grenzen wird es nicht geben. Hier sind wir hart geblieben und haben uns durchgesetzt“, betonte der SPD-Generalsekretär. „Einseitige Zurückweisungen an der Grenze, wie sie Seehofer unbedingt wollte, wird es auch nicht geben.“ Es gelte auch weiter uneingeschränkt das Recht auf Asyl und rechtsstaatliche Verfahren. Zudem würden die Asylverfahren beschleunigt.
Einwanderungsgesetz noch in diesem Jahr
Als besonders wichtigen Verhandlungserfolg der SPD hob Klingbeil hervor, „dass nach über einem Jahrzehnt Diskussion noch in diesem Jahr das Einwanderungsgesetz ins Kabinett kommt“. Auf dieser Grundlage könne man jetzt weitermachen. Und auf dieser Grundlage müsse der Bundesinnenminister nun Verhandlungen mit anderen europäischen Staaten führen. „Dafür sollte er anfangen, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren statt auf Wahlkampf in Bayern“, so Lars Klingbeil.
Auf Twitter äußerten sich weitere SPD-Politiker zu dem Asylkompromiss. „Die SPD hat gut verhandelt", sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley.
SPD-Vize-Chef Ralf Stegner twitterte: „Es gibt weder Transitzentren noch Gesetzesänderungen, weder einseitige Zurückweisungen an der Grenze noch nationale Alleingänge. Es gibt keine Schikanen gegen Flüchtlinge sondern noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz.“
Juso-Chef Kevin Kühnert schrieb: "Das Schlimmste ist fürs Erste verhindert, CSU hat keine einzige Kernforderung nach Hause gebracht."
Darauf hat sich die Koalition geeinigt
Auf diese Punkte hat sich der Koalitionsausschuss unter der Überschrift „Ordnung und Steuerung in der Migrationspolitik“ geeinigt:
„Der Europäische Rat am 28. Juni 2018 hat festgestellt, dass die Sekundärmigration die Integrität des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des Schengen-Besitzstands zu gefährden droht und deshalb die Mitgliedsstaaten alle erforderlichen internen Rechtssetzungs- und Verwaltungsmaß- nahmen gegen diese Migrationsbewegungen treffen und dabei eng zusammenarbeiten sollten.
Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Koalitionspartner:
- Das Recht auf Asyl beinhaltet nicht das Recht, sich das europäische Land aussuchen zu können, in dem man das Asyl erhält. Deshalb sollen künftig an der deutsch-österreichischen Grenze Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt haben (EURODAC Cat. 1-Eintrag) direkt in das zuständige Land zurückgewiesen werden, sofern mit diesem Mitgliedstaat ein Verwaltungsabkommen abgeschlossen oder das Benehmen hergestellt wurde, dass er die Antragsteller wieder zurücknimmt. In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.
Die Bundespolizei nutzt für das Transitverfahren ihre bestehenden Einrichtungen in unmittelbarer Grenznähe, sofern die Personen nicht unmittelbar in die bestehende Unter- bringungsmöglichkeit im Transitbereich des Flughafens München gebracht werden und von dort aus in den Erstaufnahmestaat zurückkehren können. Für Familien und besonders schutzwürdige Personen wird es gesonderte Räume in den Unterkünften geben. Wie beim bestehenden Flughafenverfahren reisen die Personen rechtlich nicht nach Deutschland ein. Die Zurückweisung erfolgt innerhalb von 48 Stunden.
Keine Gesetzesänderungen nötig
Das Vorgehen erfolgt im Rahmen des geltenden Rechts; Gesetzesänderungen sind nicht erforderlich.
- Auch national wollen wir die Zuständigkeitsfeststellung in Dublin-Fällen deutlich beschleunigen. Für diejenigen Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat registriert wurden und im Inland angetroffen werden, wird ein besonderes, beschleunigtes Verfahren in den AnKER- Einrichtungen eingeführt. Dies wird in Anlehnung an die im Asylgesetz bereits geregelten besonderen Aufnahmeeinrichtungen in einer eigenen Vorschrift normiert (BAMF- Verfahrensabschnitte innerhalb von je einer Woche, Residenzpflicht, keine Verteilung auf die Kommunen). Das beschleunigte Verfahren begründet keinen Selbsteintritt in die Asylsachprüfung, es ist auf die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin-Verordnung beschränkt. Durch einen verstärkten Einsatz von Schleierfahndungen und sonstige intelligente grenzpolizeiliche Handlungsansätze kann die Zahl derer deutlich erhöht werden, die mit einem EURODAC-Eintrag grenznah erfasst und umgehend in die AnKER-Zentren gebracht werden. Zur weiteren Beschleunigung der Verfahren wird das Bundesinnenministerium die Ergebnisse der durch die Ministerpräsidentenkonferenz eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Dublinverfahren zügig umsetzen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird überdies zeitnah Vorschläge für weitere Beschleunigungsmöglichkeiten des Dublin-Verfahrens vorlegen. Im Rahmen der laufenden Dublin-IV-Reform wird sich Deutschland für eine effiziente Neugestaltung einsetzen. Ziel ist der Abschluss eines Dublin-Verfahrens in wenigen Tagen.
- Heute gelingt eine Dublin-Rücküberstellung aus Deutschland nur in ca. 15% der Fälle. Um diese Quote deutlich zu steigern, schließen wir mit verschiedenen EU-Mitgliedstaaten Verwaltungs- abkommen gemäß Art. 36 Dublin-Verordnung ab. Diese Abkommen sollen die Rückführungs- prozesse beschleunigen und können beiderseitige Rücknahmehindernisse beseitigen. So kann Deutschland bei der Dublin-Rücküberstellung deutlich effektiver arbeiten. Außerdem muss der Dublin-Bereich des BAMF personell erheblich verstärkt werden. Die gerade vereinbarte Personal- erhöhung beim BAMF ist hierfür wesentlich und wird bei Bedarf weiter fortgesetzt.
- Deutschland wird die EU-Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Europäischen Union bei der Bewältigung ihrer besonderen Herausforderungen unterstützen. Mit Spanien und Griechenland ist deshalb zum Beispiel vereinbart, die Fälle der Familienzusammenführungen schrittweise abzuarbeiten und abzuschließen.
- Um die Rückkehr weiter zu beschleunigen, wird der Bund für die Dublin-Fälle aus den AnKER- Einrichtungen die Rückführungen übernehmen, soweit die jeweiligen Länder dies wünschen. Bisher wird zwar das Verfahren zur Klärung der Rücknahme vom BAMF durchgeführt – die Verantwortung für die eigentliche Rückführung geht dann aber auf eine der Ausländerbehörden über. Das verzögert die Verfahren und wird deswegen geändert. Der Bund wird darüber hinaus künftig auch die Beschaffung der nötigen Reisepapiere übernehmen, soweit die jeweiligen Länder dies wünschen.
- Der Europäische Rat hat beschlossen, FRONTEX deutlich auszubauen und das Mandat zu erweitern. Diese Bemühungen werden wir unterstützen.
- Deutschland wird sich auf der europäischen Ebene für die Bekämpfung des Visumsmissbrauchs einsetzen.
- Der Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird noch in diesem Jahr vom Bundeskabinett in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.“