Lambrecht: Klares Signal zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt
Florian Gaertner/photothek.net
Der sexuelle Kindesmissbrauch wird künftig in jedem Fall als Verbrechen bestraft, bisher konnte er unter Umständen auch als Vergehen geahndet werden. Warum kommt jetzt diese Strafverschärfung?
In den vergangenen Wochen wurden schreckliche Taten sexualisierter Gewalt gegen Kinder aufgedeckt, die uns alle tief erschüttert haben. Kindern wird durch diese Verbrechen unermessliches Leid zugefügt. Bei dieser Erschütterung darf es aber nicht bleiben. Es handelt sich hier um systematisch organisierte Gräueltaten an Kindern, die man sich in dieser Dimension kaum vorstellen konnte. Wir müssen ein ganz klares Signal aussenden, dass der Schutz unserer Kinder oberste Priorität hat und die Täter mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden.
Was genau wird sich künftig ändern?
Im Strafrecht muss ganz deutlich zum Ausdruck kommen, dass es sich bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder ohne Wenn und Aber um ein Verbrechen handelt. Und Verbrechen werden mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr und Höchststrafen von 15 Jahren Haft bestraft. Gleiches gilt für Kinderpornografie, mit der diese widerlichen Taten gefilmt und verbreitet werden. Wer solche Videos besitzt, macht sich mitschuldig an schlimmsten Misshandlungen von Kindern.
Statt von „Missbrauch von Kindern“ ist nun von „sexualisierter Gewalt gegen Kinder“. Was steckt hinter diesem Begriffswechsel?
Der Begriff „Missbrauch“ ist für diese abscheulichen Taten viel zu harmlos. Er suggeriert ja, dass es auch einen legalen Gebrauch von Kindern geben könnte. Absurd! Wir sprechen hier von furchtbaren Gewalttaten an Kindern! Und das muss im Gesetz auch klar beim Namen genannt werden.
Die Union sagt, die Gesetzesverschärfung komme nur auf ihren Druck zustande. Hat die SPD ihre Position korrigiert?
Das ist Unfug. Wir Sozialdemokraten haben uns immer für einen bestmöglichen Schutz der Kinder eingesetzt. Wir wissen aber auch, dass härtere Strafen alleine nichts bringen. Die Täter fürchten vor allem Entdeckung. Deshalb kommt es besonders darauf an, einen hohen Verfolgungsdruck aufzubauen. Deshalb habe ich als Ministerin dafür gesorgt, dass die Ermittler sich leichter Zutritt in Darknet-Foren verschaffen können, um dort Täter zu identifizieren. Und soziale Netzwerke müssen künftig Kinderpornografie an eine Zentralstelle beim Bundeskriminalamt melden, damit die Strafverfolgung schnell in die Wege geleitet werden kann. Aber auch in der Strafhöhe muss das Unrecht dieser unfassbaren Taten deutlicher zum Ausdruck kommen. Dafür sorge ich jetzt.
Die Strafverschärfung ist Teil eines ganzen Reformpaketes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Was gehört noch dazu? Und wann soll es in Kraft treten?
Neben einer intensiveren Strafverfolgung ist eine Stärkung der Prävention unbedingt erforderlich, um Kinder besser zu schützen. Wir brauchen höhere Wachsamkeit und Sensibilität für gefährdete Kinder. Deshalb werden wir gesetzlich festschreiben, dass Familienrichter besonders geschult werden müssen, bevor sie ihr Amt antreten. Wir werden zu allen Änderungen noch im Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen. Wenn alle an einem Strang ziehen, können die Änderungen noch in diesem Jahr im Gesetzblatt stehen. Das sind wir den Opfern schuldig.
In den letzten Jahren ist ein ganz neues Ausmaß an oft digitaler Kinderpornographie öffentlich geworden. Wie wollen Sie dagegen vorgehen?
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie hängen sehr häufig eng zusammen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich in den dunklen Ecken des Internets ganze Gruppen zusammenfinden, um Bilder und Filme von gequälten Kindern zu handeln und zu tauschen. Unfassbar! Hiergegen muss mit aller Konsequenz vorgegangen werden. Die Ermittler müssen hierfür die bestmögliche personelle und technische Ausstattung bekommen. Und wir werden die Strafen erhöhen: Der Besitz von Kinderpornografie, die sexualisierte Gewalt an Kindern zeigt, wird künftig mit mindestens einem Jahr Gefängnis bestraft. Wer mit solchen Filmen seine widerlichen Geschäfte macht, dem drohen mindestens zwei Jahre Gefängnis. Die Höchststrafe kann sogar 15 Jahre betragen.
Höhere Strafen und geänderte Gesetze allein werden das Problem nicht lösen. Was soll darüber hinaus geschehen, um Kinder besser zu schützen?
Ich habe ja bereits einiges genannt. Neben einer verbesserten Prävention kommt es entscheidend darauf an, dass die Täter sich nicht sicher fühlen. Hierin sind sich alle Fachleute einig. Wir müssen dafür sorgen, dass das Entdeckungsrisiko so hoch ist, dass diese Taten erst gar nicht begangen werden.
Sind für eine effektivere Strafverfolgung und Prävention auch mehr Investitionen in Personal und Technik nötig?
Exakt darauf kommt es an. Ich freue mich, dass auch die Länder signalisiert haben, sich stärker für den Schutz der Kinder einzusetzen. Die Ermittlungsanstrengungen müssen unbedingt weiter erhöht werden, um den Verfolgungsdruck zu steigern und potentielle Täter abzuschrecken. Hierfür ist eine deutliche Aufstockung der personellen Ressourcen und bessere technische Ausstattung erforderlich. Hier sind die Länder am Zuge.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder findet oft in Familien statt, immer wieder werden Väter, aber auch Mütter, zu Tätern. Oft gewähren Gerichte den Eltern dann aber dennoch Kontakt zu den Kindern. Die Gerichte sind unabhängig. Was kann die Justizministerin hier tun?
Es ist besonders bedrückend, dass oft das familiäre Umfeld der Opfer in die Taten verstrickt ist. Das Vertrauen der Kinder, in ihrer Familie sicher und geborgen leben zu können, wird dadurch auf das Schlimmste verletzt. Die Täter gehen dabei oft sehr manipulativ vor und können sich gut verstellen. Deswegen ist Qualifizierung und Fortbildung von Familienrichtern so wichtig, damit sie die Täter besser durchschauen können und bei den Kindern Anzeichen von Missbrauch bemerken. Ganz wichtig ist auch, dass Kinder in allen familiengerichtlichen Verfahren angehört werden. Wenn wir es ernst mit einem besseren Schutz unserer Kinder meinen, müssen wir aber auch endlich die Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen. Dann wäre unübersehbar klar, dass das Kindeswohl bei allem staatliche Handeln im Blick sein muss. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart, und ich habe hierzu einen ausgewogenen Vorschlag vorgelegt. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass die Union hier immer noch blockiert.