Künstler wollen Flüchtlinge in Berlin beerdigen
Mit einer Aufsehen erregenden Ankündigung haben Künstler der Gruppe „Zentrum für politische Schönheit“ am Montag im Internet eine Welle der Spendenbereitschaft ausgelöst. Nur wenige Stunden nach Veröffentlichung ihrer neuen Kampagne hatten die Initiatoren das erste Zwischenziel von 14 900 Euro bereits erreicht. Knapp zehn Stunden dauerte es, ehe die Spendensumme die Marke von 20 000 Euro überstieg.
Die angekündigte Kampagne hat es in sich: Unter dem Titel „Die Toten kommen“ wollen die Künstler Leichen von auf der Flucht nach Europa gestorbenen Menschen beerdigen, und zwar mitten in Berlin. „Nach dem Willen des deutschen Innenministers sollten die Toten unsichtbar bleiben. Wir bringen sie ins Zentrum der Macht, dorthin, wo die Schießbefehle für den Europäischen Todesstreifen herkommen: in das Berliner Regierungsviertel“, erklärte Stefan Pelzer, „Eskalationsbeauftragter“ der Gruppe. Im Begleittext zu der Aktion ist von einem „Krieg“ die Rede, den die europäischen Regierungen gegen Flüchtlinge aus afrikanischen und arabischen Krisenregionen führen. Über die „Opfer dieses Krieges“, 2014 starben laut UNO rund 3500 Flüchtlinge allein im Mittelmeer, heißt es weiter: „Sie tragen keine Namen. Ihre Angehörigen werden nicht ermittelt. Niemand schenkt ihnen Blumen.“
Tote mit Einverständnis der Angehörigen exhumiert
Das wollen die Künstler nun ändern. Laut Philipp Ruch, dem „Chefunterhändler“ der Gruppe, wurden in den vergangenen Wochen zehn menschenunwürdige Grabstätten geöffnet und die Toten mit dem Einverständnis der Angehörigen exhumiert. „Sie sind jetzt auf dem Weg nach Deutschland“, so Ruch. Eine erste aus den gesammelten Spendenmitteln finanzierte Beerdigung soll den Künstlern zufolge am Dienstag (16. Juni 2015) stattfinden. Der dafür vorgesehene Friedhof am Stadtrand von Berlin liegt jedoch gut 15 Kilometer vom Kanzleramt entfernt.
Ihre Ankündigung, das Thema Tod auf der Flucht bis in die „Schaltzentrale des europäischen Abwehrregimes“ zu tragen, wollen die Aktivisten aber spätestens am kommenden Wochenende wahr machen. Beim sogenannten „Marsch der Entschlossenen“ sollen die Leichen weiterer Flüchtlinge zum Kanzleramt gebracht werden, „um sie direkt vor den politischen Entscheidungsträgern zu beerdigen“. Außerdem planen die Aktivisten einen Friedhof für die „unbekannten Einwanderer“, direkt vor dem Kanzleramt. „Da die Europäische Union viel mehr Friedhöfe für ihre tödliche Politik benötigt, müssen auch in Deutschland neue Felder entstehen“, heißt es auf der Homepage des „Zentrums für politische Schönheit.
Es ist nicht das erste Mal, dass das „Zentrum für politische Schönheit“ mit einer Aktion zum Thema europäische Flüchtlingspolitik auf sich aufmerksam macht. Am 9. November des vergangenen Jahres – zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls – hatten Mitglieder der Gruppe die im Zentrum Berlins zum Gedenken an die „Mauertoten“ aufgestellten Gedenkkreuze gestohlen um sie an die EU-Außengrenzen zu bringen. Damit wollten sie auf die Situation dort aufmerksam machen.