Inland

Künstler in der Armutsfalle

von Martin Jungmann · 21. September 2014

„Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“ - so heißt es im Prolog zu Schillers Wallenstein. Auch die Kunstschaffenden in Deutschland sehen sich dem Ernst des Lebens ausgesetzt. Deutlich wurde dies auf einer Veranstaltung des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Was am Ende übrig bleibt – kreativ in die Altersarmut“. 

Mit 132 Milliarden Euro setzt die Kreativbranche in Deutschland jährlich mehr um als die chemische Industrie, erklärte die Sprecherin des Managerkreises Berlin-Brandenburg, Anette Fugmann-Heesing, zu Beginn der Veranstaltung.  Zudem seien in der Kreativbranche mehr Menschen tätig als in der heimischen Automobilproduktion, fügt die ehemalige Senatorin und Landesministerin a.D. hinzu. Doch diesen eindrucksvollen Zahlen stehen oftmals niedrige und unregelmäßige Einkommen gegenüber.

Regeln aus dem 19. Jahrhundert 

Das hat Gründe, wie der Bundestagsabgeordnete Siegmund Ehrmann aus Moers, zu berichten weiß:  „Es treffen ein dynamischer Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts mit den Regeln der Sozialversicherung aus dem 19. Jahrhundert zusammen.“ Ehrmann mahnte dringend eine Reform der in der Kanzlerschaft Helmut Schmidts auf den Weg gebrachten Künstlersozialversicherung an: „Viele neue und einige ältere Berufe werden einfach nicht erfasst, da besteht Handlungsbedarf.“ Anfang der Achtziger Jahre konnte niemand  erahnen, dass es einmal Berufe wie Webentwickler oder Computerspieldesigner geben könnte, angepasst wurden die Bestimmungen nur unzureichend. 

Datenlage unbefriedigend 

Es ist nur schwer zu glauben, dass es in Deutschland zu einem sozialpolitischen Themenfeld eine unzureichende statistische Datenlage gibt. Doch genau dies musste Dr. Hilmar Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit und Mitautor eine Studie zur sozialen Sicherung von Künstlern zugeben: „Das wenige, was wir wissen, ist nicht toll.“ Von den insgesamt 1,4 Millionen Menschen, die der Kreativbranche zugerechnet werden, sind lediglich 170.000 in der Künstlersozialkasse versichert. Ihre Durchschnittseinkünfte liegen bei 80 Prozent des Mittelwerts der gesamten Arbeitnehmerschaft, ihre Altersbezüge betragen nur die Hälfte. Das sind erschreckende Zahlen, die Handlungs- und Reformbedarf aufzeigen. Zufriedenheit herrscht lediglich darüber, dass die Künstler günstig krankenversichert sind.

Handlungsoption Bürgerversicherung

Auf die Frage, wie die Alterssicherung für Künstler und Kreative auf gesunde Füße gestellt werden kann, fand man auch in der um die Gäste aus der Branche selbst erweiterte Gesprächsrunde keine abschließende Antwort. Dem Gedanken der derzeitigen Arbeitsministerin, dass sich Künstler und Kreative zwangsweise zusätzlich versichern müssten, wurde jedoch eine klare Absage erteilt, und dies aus einfachem Grund: Die monatliche Mehrbelastung von mehreren hundert Euro sei für viele einfach nicht aufzubringen. Positiv stand man der sozialdemokratischen Forderung nach einer Bürgerversicherung gegenüber. Einigkeit schließlich herrschte in der Frage, dass eine Gesellschaft sich die Kunst etwas kosten lassen müsse – über Subventionen ebenso wie über faire und leistungsgerechte Honorare.

BU: Diskussion im herzen des kreativen Berlin: Annette Fugmann-Heesing und Siegmund Ehrmann in der Kalscheune in Mitte. Foto: Jungmann

Autor*in
Martin Jungmann

ist freier Autor in Berlin.

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