Inland

Kritik am BKA und an Zschäpe, die „Dienelt-Maus“

von Thomas Horsmann · 26. Juli 2013

Im NSU-Prozess ist es nicht leicht, den Überblick zu bewahren, immer wieder müssen alle Beteiligten sich auf die wechselnden Themen einstellen. So auch in dieser Verhandlungswoche. Zeugen und Sachverständige sagten zu zwei Morden, zum Leben des NSU-Trios in Zwickau und zum Brand dort aus. Außerdem musste das BKA in Sachen Holger G. empfindliche Kritik einstecken.

Am Dienstag und Donnerstag standen die Obduktionsberichte und Tatrekonstruktionen in den Fällen Şimşek und Özüdogru auf dem Programm. Schreckliche Details, die von der Kaltblütigkeit der Mörder, mutmaßlich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, zeugen.

Fall Şimşek

Der Blumenhändler Enver Şimşek war am 9. September 2000 in Nürnberg ermordet worden. Sieben oder acht Schüsse trafen den arglosen Mann, der in seinem Lieferwagen Blumen band, in Kopf, Oberkörper und Arm. Offenbar schossen die Täter Şimşek zunächst zwei Mal ins Gesicht, dann weitere fünf oder sechs Mal auf den bereits Zusammengebrochenen. Exakt schilderte der Rechtsmediziner wie die Kugeln ihren Weg durch den Körper nahmen. Alle Verletzungen hätte Şimşek wohl überlebt, nur eine nicht. Der tödliche Schuss, ein „Schädelsteckschuss“ drang an der Oberlippe ein. Er durchschlug Oberkiefer und Keilbeinhöhle und blieb in der Schädeldecke stecken.

Laut Waffenexperte wurden die Schüsse aus zwei Waffen abgegeben – eine davon die Ceska 83 mit Schalldämpfer, die dann bei weiteren acht Morden verwendet wurde. Unklar blieb jedoch, ob zwei Täter schossen oder ob einer zwischendurch die Waffe wechselte. Auch die Rekonstruktion der Tat mit eine Schaufensterpuppe und Stäben, die die „Schusskanalverläufe“ deutlich machten, konnte dies nicht klären. Für die Schüsse benötigten die Täter nur etwa 10 bis 15 Sekunden.

Mord Özüdogru

Der Schneider Abdurrahim Özüdogru war am 13. Juni 2001 in seiner Änderungsschneiderei in Nürnberg ermordet worden. Die Experten erläuterten, dass dem wehrlosen Mann zunächst ins Gesicht geschossen wurde, die Kugel blieb im Schädel stecken. Der zweite Schuss wurde auf den zusammengesackten Mann aus nächster Nähe in die Schläfe abgegeben. Das ergab auch die Rekonstruktion der Tat. Die Tatwaffe war wieder die Ceska 83, die Jahre später im Schutt der ausgebrannten Wohnung in Zwickau gefunden wurde. 

Zschäpe, die freundliche Nachbarin

Am Mittwoch und Donnerstag wurden Zeugen zum Brand in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau vernommen, die interessante Einblicke ins Leben des NSU-Trios in deren Unterschlupf brachten.

Ein Nachbar berichtete dem Gericht, dass er Beate Zschäpe 2009 kennengelernt habe. Sie habe sich ihm als die neue Nachbarin Susann Dienelt vorgestellt. Damit es „keine Gerede“ gebe, habe sie ihm gleich erzählt, dass sie mit zwei Männern in die Wohnung eingezogen sei, mit ihrem Freund und ihrem Bruder. Die beiden Männer habe er hin und wieder gesehen, man habe sich gegrüßt, aber sonst keinen Kontakt gehabt.

Mit Beate Zschäpe hingegen, die er „Dienelt-Maus“ nannte, habe er öfter über „Gott und die Welt“ geplaudert. Es sei ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis gewesen. Im Partykeller oder im Hof habe man öfter zusammengesessen und etwas getrunken. In der Wohnung des Trios sei er nie gewesen, berichtete der Zeuge weiter.

Zschäpe alias Dienelt habe ihm berichtet, dass die beiden Männer beruflich Autos überführten. Deshalb stünden immer wieder andere Fahrzeuge, auch Wohnmobile, vor der Tür. Das sei ihm plausibel erschienen. Ebenso, dass Zschäpe von zuhause aus arbeite.

Zeuge belastet André E.

Donnerstags habe das Trio häufig Besuch von einer jungen Familie mit zwei Kindern bekommen. Auf Fotos erkannte der Zeuge den Mitangeklagten André E. wieder, der mit seiner Frau zwei Kinder hat. André E. wird zu den engsten Vertrauten des NSU-Trios gezählt. Mit ihm telefonierte Zschäpe, nachdem ihre Wohnung in Flammen aufgegangen war.

Zschäpe und ihre Katzen

Weitere Zeugen berichteten, wie sie Beate Zschäpe mit ihren Katzen auf der Straße trafen, kurz, nachdem die Wohnung explodiert war. Sie sei ihnen relativ ruhig vorgekommen. Einer Zeugin übergab sie die beiden Katzen, dann flüchtete sie.

Bei den Morden geht es für Beate Zschäpe um Beihilfe. Unter anderem wirft ihr die Bundesanwaltschaft vor, ein geregeltes bürgerliches Leben vorgetäuscht zu haben, damit die beiden Uwes töten konnten. Beim Brand in Zwickau wird ihr Brandstiftung und versuchter Mord vorgeworfen. Denn im Haus arbeiteten zwei Handwerker, zudem lebte dort eine alte Frau, deren Tod sie in Kauf genommen habe, als sie mutmaßlich Feuer legte.

Kritik am BKA

In überraschender Einigkeit kritisierten am Dienstag Nebenkläger und Verteidiger die Arbeit des Bundeskriminalamts. Vor allem die Vernehmung des Kronzeugen Holger G. ist umstritten. Sie sei nicht nach den Regeln der Vernehmungskunst durchgeführt worden. Vor allem irritierte, dass nur Aussagen, die den BKA-Beamten als wichtig erschienen, protokolliert wurden. Die Verteidigung hält die Vernehmungen deshalb für nicht verwertbar. Die Nebenkläger kritisieren, dass das BKA die Rolle von Holger G. als ahnungsloser Freund des NSU-Trios zu bereitwillig geglaubt und nicht hinterfragt habe.

Holger G. hat zwar als Kronzeuge vor der Polizei ausgesagt, vor Gericht schweigt er bislang jedoch. Sein Anwalt erklärte am Donnerstag, dass Holger G. vor der Sommerpause auch nichts mehr sagen werde. So bleibt die Hoffnung, dass dieser später doch noch umfassend aussagen wird. 

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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