Krankenhausreform: Die SPD will mehr Medizin und weniger Ökonomie
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Mit 13,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gibt Deutschland im europäischen Vergleich verhältnismäßig viel Geld für die Gesundheitsversorgung aus. „Bezogen auf die Einwohner hat Deutschland auch eher überdurchschnittlich viel Personal“, erklärt Tom Bschor, Leiter der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Personal und Geld würden jedoch vom Hamsterrad des gegenwärtigen Systems der Fallpauschalen aufgezehrt, kritisierte er im Dezember auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Erst im Mai vergangenen Jahres hatte Lauterbach die 17-köpfige Regierungskommission einberufen, um Vorschläge für eine notwendige Krankenhausreform zu erarbeiten. Eine Reform, die keine Rücksicht auf Lobbygruppen nehmen werde, betont Lauterbach bei der Vorstellung der Empfehlungen, die als Grundlage für einen Gesetzesentwurf dienen sollen, „mit dem wir das System der Fallpauschalen systematisch überwinden“.
Lauterbach: Tendenz zu billiger Medizin
In deutschen Krankenhäusern werden Leistungen nach Fallpauschalen, den sogenannten DRGs (Diagnosis Related Groups) erbracht. Fallpauschalen bilden seit rund 20 Jahren die Grundlage der Vergütung pro Behandlungsfall, unabhängig davon, wie aufwendig eine Behandlung ist. Nach Lauterbach schaffen sie eine Tendenz zu billiger Medizin, denn Krankenhäuser könnten ihr Budget nur erhöhen bzw. das Vermeiden von Verlusten realisieren, indem sie so viele Fälle wie möglich behandeln.
Bschor und Lauterbach bezeichnen dieses System als ein Hamsterrad, in dem die Ökonomie dominiere und in dem sich Patientinnen und Patienten nicht immer sicher sein könnten, ob ein Eingriff einem ökonomischen Motiv folge oder medizinisch notwendig sei. „Das muss dringend beseitigt werden“, erklärt der Minister. In Zukunft sollen wieder medizinische Aspekte im Vordergrund stehen, erklärt Lauterbach und verspricht eine „Revolution im Krankenhaussektor“.
Wirtschaftlichen Druck von Kliniken nehmen
In Zukunft sollen Krankenhäuser als Teil der Daseinsvorsorge alleine für die Vorhaltung einer Leistung vergütet werden, unabhängig davon, wie viele Krankenfälle es gibt. Fallpauschalen werden dann nur noch eingeschränkt zur Finanzierung herangezogen. Für die Leistungsgruppen der Intensivmedizin, der Notfallmedizin, Geburtshilfe und Neonatologie (Spezialbereich der Kinderund Jugendmedizin) ist ein Vorhalteanteil von 60 Prozent angestrebt, nur noch 40 Prozent soll über Fallpauschalen abgerechnet werden. Damit werde wirtschaftlicher Druck von den Krankenhäusern genommen, die in drei Stufen eingeordnet und gefördert werden.
In die Grundversorgung (Stufe 1) fällt die medizinisch und pflegerische Basisversorgung. Sie soll flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Unterschieden werden soll hier in Kliniken, die eine Notfallversorgung sicherstellen und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten. Letzteren wird eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur integrierten Gesundheitsvorsorge eingeräumt. Sie sollen wohnortnah ambulante fachärztliche Leistungen mit Akutpflegebetten verbinden. Die Regierungskommission empfiehlt, sie vollständig aus dem Fallpauschalen-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Außerdem sollen sie unter Leitung von Pflegekräften stehen können.
Finanzierung mit den Ländern klären
Hinzu kommen Krankenhäuser mit Regel- und Schwerpunktversorgung (Stufe 2), die über die Grundversorgung hinaus noch weitere Leistungen anbieten bis hin zu hoch spezialisierten Kliniken (Stufe 3) mit Maximalversorgung. Für jede Stufe sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten.
Bis zur Sommerpause will Lauterbach in enger Abstimmung mit den Bundesländern einen Finanzierungsplan entwickeln, denn diese sind für die Kosten von Bauten oder bauliche Instandhaltung der Krankenhäuser zuständig. Beim gemeinsamen „Krankenhausgipfel“ Anfang Januar sprach Lauterbach von einem „gelungenen Auftakt“. Der Minister ist überzeugt: „Wir könnten in der Qualität sehr viel besser sein, wenn wir eine andere Vergütungsstruktur hätten.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.