Inland

Konzertierte Aktion: Wie Deutschland gemeinsam die Krise meistern soll

Auf Initiative von Olaf Scholz kamen am Montag Gewerkschaften, Sozialpartner und Bundesbank zur „Konzertierten Aktion“ zusammen. Das Ziel: Eine Krise meistern, die aus Sicht des Kanzlers Wirtschaft und Gesellschaft noch länger beschäftigen wird.
von Benedikt Dittrich · 4. Juli 2022
Wollen gemeinsam durch die Krise steuern: DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi (von links), BDA-Präsident Rainer Dulger und Bundeskanzler Olaf Scholz.
Wollen gemeinsam durch die Krise steuern: DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi (von links), BDA-Präsident Rainer Dulger und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Das erste Treffen im Rahmen der „Konzertierten Aktion“ endete am Montag mit einem gemeinsamen Appell von Bundeskanzler Olaf Scholz, der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi und dem Vertreter der Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger. Alle drei sprachen von einer gemeinsamen Kraftanstrengung, von großen Herausforderungen, vor denen die Bundesrepublik Deutschland nun stehe. Und dass die aktuelle Krise nur gemeistert werden könne, wenn alle gemeinsam nach Lösungen suchen. „Wir stehen zusammen“, das ist aus Sicht von Bundeskanzler Olaf Scholz die wichtige Nachricht, die von diesem ersten Treffen ausgehen soll, wie er am Montagnachmittag auf der Wiese vor dem Bundeskanzleramt erklärte.

Eine Krise, von der Gesellschaft und Wirtschaft, private Haushalte und Betriebe gleichermaßen betroffen sind, wie sowohl Fahimi als auch Dulger im Anschluss betonten. Und sie traten auch gemeinsam einer aktuellen Debatte um die Gründe der Inflation entgegen: „Die Diskussion um eine Lohn-Preis-Spirale ist falsch“, so Fahimi. „Sie ist einseitig und nicht gegeben.“ Dem stimmte auch Dulger zu. „Wir sehen eine Inflation auf der Angebotsseite“, sagte er mit Blick auf gestörte Lieferketten und steigende Energiekosten. Lohnverhandlungen würden auch künftig nicht im Bundeskanzleramt stattfinden. Dulger verwies stattdessen auf mögliche Steuerentlastungen wie die Steuerfreiheit bei Einmalzahlungen, die er offenbar gerne mit Scholz und Fahimi diskutieren möchte: „Mehr Netto vom Brutto ist die Devise.“

Krisen-Kooperation wie 1976

Die „Konzertierte Aktion“ war von Olaf Scholz initiiert worden. Beim Auftakttreffen waren demnach sowohl Sozialpartner*innen als auch Ökonom*innen sowie Mitarbeiter*innen der Bundesbank zugegen. Die Idee der Aktion geht auf eine Reihe von Treffen in den 60er und 70er Jahren zurück – damals ebenfalls angestoßen von einem Sozialdemokraten.

Daran erinnerte auch Scholz nun: Wie damals solle es auch jetzt regelmäßige Treffen geben, das Ziel seien gemeinsame Lösungen. Die aktuelle Krise werde nicht in wenigen Monaten vorübergehen, warnte Scholz eindringlich. „Der Krieg hat alles verändert“, so Scholz weiter, die Unsicherheit in der Bevölkerung wachse, während Lieferketten weiterhin gestört seien und die Preise weiter stiegen. Deswegen brauche es jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Vorschläge hatte es schon vor dem ersten Treffen genug gegeben: So forderten Gewerkschaften effektive, zielgerechte Entlastungen für Menschen ohne Arbeit wie Rentner*innen und Studierende – pochten ansonsten aber auf die Autonomie in den Tarifverhandlungen. „Die Gewerkschaften werden auch in dieser Krise ihre Aufgabe für eine verantwortliche Tarifpolitik wahrnehmen. Und zwar dort, wo sie hingehört: am Verhandlungstisch mit den Arbeitgebern“, so die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, die Einmalzahlungen zwar als mögliches Instrument sieht, gleichzeitig aber auf die Verhandlungshoheit der Tarifpartner*innen verweist. Außerdem forderte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds einen Energiepreisdeckel für Privathaushalte.

Weitere Entlastungen gegen Inflation

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte am Montagmorgen im „Deutschlandfunk“ die Arbeitnehmer*innen auch zu hohen Abschlüssen ermuntert – gerade weil die Inflation wohl zunächst hoch bleiben werde: „Deswegen müssen wir die Einkommen erhöhen.“ Einmalzahlungen als einzige Maßnahme steht die Parteichefin ablehnend gegenüber. Sie sprach sich vor allem für weitere, gezielte Entlastungen aus, Nachzahlungen bei Heizungskosten schwebten wie ein „Damoklesschwert“ über vielen Haushalten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte in einem ARD-Interview am Sonntag von „sozialem Sprengstoff“ gesprochen, wenn Heizkosten um mehrere hundert Euro steigen. „Das ist dann eine Summe, die viele nicht mehr bewältigen können“, so Scholz.

Der Ökonom Gustav Horn forderte indes im „vorwärts“ bereits eine konzertierte Aktion auf europäischer Ebene um eine Lohn-Preis-Spirale gar nicht erst entstehen zu lassen. Sebastian Dullien, ebenfalls Ökonom und Präsident des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomik, brachte ein drittes Entlastungspaket ins Gespräch, um vor allem einkommensschwache Haushalte gezielt zu stützen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer hatte konkret auch schon einen „Einsparbonus“ ins Spiel gebracht.

Schon vor dem ersten Treffen der Sozialpartner*innen im Kanzleramt waren die Erwartungen allerdings gedämpft worden. Da die Teilnehmer*innen zum ersten Mal in dieser Runde zusammenkamen, waren noch keine konkreten Ergebnisse zu erwarten. „Die Konzertierte Aktion ist kein Zauberworkshop. Danach werden nicht alle Probleme gelöst sein“, sagte auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Montag im Willy-Brandt-Haus. Er sehe die Aktion eher als permanenten Prozess, der nun eingeleitet werde. Eine typisch sozialdemokratische Herangehensweise aus Sicht von Kühnert.

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